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Phantom des Alexander Wolf

Phantom des Alexander Wolf

Titel: Phantom des Alexander Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Gasdanow
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»Ich komme morgen« vermitteln; erfahren hatte ich einzig und allein, dass sein Verleger eine negative Meinung von ihm hatte, obendrein eine deutlich voreingenommene. Ich las noch einmal aufmerksam das Buch, mein Eindruck änderte sich nicht: derselbe zügige und geschmeidige Erzählrhythmus, dieselben passenden Attribute, dieselbe makellose und, wie es schien, unübertreffliche Verbindung des Stoffs mit den sehr kurzen und ausdrucksstarken Verfasserkommentaren.
    Nicht, dass ich mich abgefunden hätte mit der Unmöglichkeit, über Wolf zu erfahren, was mich interessierte, aber ich wusste einfach nicht, wie ich es anstellen sollte. Seit meinem merkwürdigen Gespräch in London war bereits ein ganzer Monat vergangen, und ich zweifelte kaum noch, dass mit einer Antwort von Wolf nicht zu rechnen war – vielleicht nie und jedenfalls nicht in näherer Zukunft. Und ich dachte schon fast nicht mehr daran.
    Ich lebte in jener Zeit vollkommen allein. Zu den Restaurants, in denen ich dinierte oder dejeunierte – es waren insgesamt vier, in unterschiedlichen Stadtteilen –, gehörte, meiner Wohnung am nächsten gelegen, ein kleineres russisches Restaurant, wo ich mehrmals pro Woche verkehrte. Ich betrat es am Heiligabend, ungefähr um zehn Uhr abends. Alle Tische waren besetzt, übrig war lediglich ein freier Platz in der hintersten Ecke; dort saß einsam, festtäglich gekleidet, ein älterer Herr, den ich vom Sehen gut kannte, denn er war in diesem Restaurant Stammgast. Jedesmal erschien er mit unterschiedlichen Damen eines, in wenigen Worten, schwer zu bestimmenden Typs, für deren Leben aber meist eine Unterbrechung ihrer Tätigkeit charakteristisch war: War sie Schauspielerin, so eine gewesene Schauspielerin, war sie Sängerin, hatte sie kürzlich ihre Stimme verloren, war sie schlicht Kellnerin, hatte sie einige Zeit vorher geheiratet. Er stand im Ruf eines Don Juan, und ich glaube, dass er im Kreis von dergleichen Frauen wohl tatsächlich Erfolg hatte. Daher verwunderte mich besonders, dass er an einem solchen Tag allein war. Wie dem auch sei, mir wurde der Platz an seinem Tisch angeboten, und ich setzte mich ihm gegenüber, nach einer Begrüßung per Handschlag, wozu ich früher keinen Anlass gehabt hatte.
    Er wirkte ein wenig finster, seine Augen begannen sich zu trüben. Nachdem ich mich gesetzt hatte, trank er, fast ohne Unterbrechung, drei Gläschen Wodka und wurde schlagartig heiterer. Ringsum unterhielten sich laut die Gäste, das Grammophon des Restaurants spielte eine Schallplatte nach der anderen. Während er sich das vierte Gläschen einschenkte, hob das Grammophon mit einem französischen Chanson in Moll an:
    Il pleut sur la route,
Le cœur en déroute… 2
    Er lauschte aufmerksam, den Kopf zur Seite geneigt. Als die Schallplatte zu der Stelle kam:
    Malgré le vent, la pluie,
Vraiment si tu m’aimes…, 3
    traten ihm sogar Tränen in die Augen. Erst jetzt fiel mir auf, dass er schon sehr betrunken war.
    »Diese Romanze«, wandte er sich mit überraschend lauter Stimme an mich, »weckt in mir so manche Erinnerungen.«
    Mir fiel auf, dass auf der Polsterbank, wo er saß, neben ihm ein Buch lag, eingeschlagen in Papier; er hatte es schon mehrfach von einer Stelle zur anderen gelegt, deutlich bemüht, es schonend zu behandeln.
    »Ich glaube, Sie haben ohnehin ziemlich viele Erinnerungen.«
    »Weshalb meinen Sie das?«
    »Sie sehen so aus, finde ich.«
    Da lachte er und bestätigte, ja, Erinnerungen habe er in der Tat ziemlich viele. Er befand sich in einem Anfall von Offenherzigkeit und Redseligkeit, wie das für angetrunkene Lebemänner seines Schlages besonders typisch ist. Nun begann er, mir seine Liebesabenteuer zu erzählen, wobei er in vielen Fällen, wie mir schien, deutlich hinzuphantasierte und übertrieb. Mich überraschte jedoch angenehm, dass er über kein einziges seiner zahlreichen Opfer schlecht sprach; in all seinen Erinnerungen steckte ein Gemisch von Ausschweifung und Zärtlichkeit. Das war eine ausgefallene Gefühlsnuance, typisch eben für ihn, unzweifelhaft ging von ihm eine unwillkürliche Anziehungskraft aus, und ich begriff, warum dieser Mann wohl tatsächlich bei vielen Frauen Erfolg hatte. Wenngleich ich seiner Erzählung mit Aufmerksamkeit zuhörte, konnte ich mir die ungeordnete und zufällige Abfolge von Frauennamen, die er nannte, nicht genau merken. Schließlich seufzte er, unterbrach sich selbst und sagte:
    »Aber in meinem ganzen Leben gab es nichts Besseres als mein

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