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Phönix

Titel: Phönix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Plötzlich blieb ich stehen und schaute zurück. Sie lächelte mir nach.
    Ich sah sie einen Augenblick lang an und lächelte dann: »Wissen Sie, gnädige Frau«, sagte ich rasch, »wenn ich zwanzig Jahre jünger wäre, würde ich Sie glatt heiraten!«
    2
    Als ich zum Auto hinunterging, spürte ich um mich herum, wie der Oktober mehr und mehr dahinschwand. Mir tat es richtig leid, wie er so erlosch. Denn es war meine Jahreszeit. Manche lieben das saftige Grün; ich würde mich jederzeit für das Rot, das Braun und das Gold des frühen Herbstes entscheiden. Die Farben bedeuteten mir etwas. Ich fühlte mich warm und munter - einfach prächtig. Ich hielt neben dem Wagen und starrte Jeannie an. Sie lächelte mir zu.
    »Du willst doch nicht etwa offen fahren?« fragte ich sie und griff nach meinem Trenchcoat, der neben ihr auf dem Vordersitz lag.
    Ich vollführte ein paar Schulterverrenkungen und schlüpfte hinein.
    »Aber, Dad!« entgegnete sie rasch. »Was ist denn ein Kabrio, wenn du nicht das Dach runtermachst?«
    »Liebes Kind«, protestierte ich und kletterte neben sie. »Wir haben Herbst, der Sommer ist vorbei.«
    Sie schaltete, und bevor sie antwortete, waren wir bereits die Auffahrt hinunter. Ihr Tonfall klang jetzt nüchtern, in ihm lag die ganze geduldige Nachsicht der sehr Jungen gegenüber den sehr Alten.
    »Sei nicht so zimperlich, Dad«, sagte sie klar und unmißverständlich.
    Ich lächelte leise vor mich hin und schaute dann zu ihr hinüber. Sie fuhr mit der ihr eigentümlichen, drolligen Aufmerksamkeit. Als sie in die Straße einbog, kam ihre rosa Zungenspitze zwischen den Lippen zum Vorschein. Das tat sie immer, es mußte wohl an der Kurve liegen. Sie drückte das Gaspedal runter, ich merkte, wie der Wagen schneller wurde. Ich warf einen Blick auf den Tacho. Wir fuhren auf diesem kurzen Stück bereits neunzig, und die Tachonadel stieg noch weiter. »Rase nicht so, Liebling«, warnte ich sie. Ihr kurzer Blick war vielsagend genug. Ich begann mich direkt alt zu fühlen. Ich schwieg schuldbewußt und starrte geradeaus auf die Straße. Nach ein paar Minuten fühlte ich mich schon besser. Sie hatte recht. Was für einen Sinn hatte ein Kabrio, wenn man nicht das Dach runtermachte. Es war schon was dran, im Herbst offen über die Landstraße zu brausen: über sich der freie Himmel und ringsumher die leuchtenden Farben.
    Ihre Frage überraschte mich: »Was schenkst du Mutter zum Hochzeitstag, Dad?«
    Ich schaute sie an. Ihre Augen waren auf die Straße gerichtet. Ich stolperte über meine Antwort. Ich hatte noch nicht darüber nachgedacht. »Ich weiß nicht«, gestand ich.
    Sie warf mir einen kurzen Blick zu: »Solltest du dich nicht bald entschließen?« sagte sie in diesem praktischen Ton, den Frauen
    immer an sich haben, wenn sie über Geschenke reden. »Es sind nur noch drei Wochen.«
    »Jaja«, murmelte ich, »ich sollte mal darüber nachdenken.« Mir kam eine Idee. »Vielleicht kannst du mir sagen, was sie gern hätte?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich nicht. Darüber zerbrich du dir mal den Kopf. Ich war ja nur gespannt.«
    »Gespannt worauf?« Ich wurde neugierig, was wohl in ihrem hübschen, kleinen Kopf vorging.
    Sie brachte den Wagen an einer Verkehrsampel zum Halten und schaute mich an. »Nur so«, lächelte sie mir zu. »Ich war nur neugierig, ob du auch diesmal wieder mit dem üblichen Blumenstrauß in letzter Minute ankommen würdest.«
    Ich merkte wie ich rot anlief. Ich hatte nicht damit gerechnet, daß diese jungen Augen so viel sehen würden. »Ich weiß nie so recht, was ich ihr schenken soll.«
    Sie blickte mich an. »Du hast keine Phantasie, Dad.«
    Allmählich wurde ich ärgerlich. »Moment mal, Jeannie«, sagte ich. »Ich bin ein ziemlich vielbeschäftigter Mann und kann nicht an alles denken. Außerdem hat deine Mutter alles, was sie braucht. Was soll ich ihr also sonst noch kaufen?«
    Sie fuhr wieder an. »Gewiß«, antwortete sie trocken. »Sie hat alles, was sie braucht. Einen neuen Kühlschrank, einen Herd, eine Waschmaschine ...« Ihr Blick kehrte wieder zu mir zurück. »Hast du jemals daran gedacht, ihr etwas ganz Persönliches zu schenken? Was vielleicht nicht so schrecklich praktisch ist, woran sie aber einfach Freude hätte?«
    Langsam wurde ich verzweifelt. Sie hatte etwas auf Lager. »Was zum Beispiel?«
    »Einen Nerzmantel zum Beispiel«, antwortete sie rasch und starrte auf die Straße.
    Überrascht blickte ich sie an. »Das wünscht sie sich?« fragte ich beinahe

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