Picknick mit Bären
wildwachsende Pflanzen, naturwissenschaftliche Werke, einen historischen Abriß über die geologische Entwicklung des Appalachian Trail von einem Autor mit dem köstlichen Namen V. Collins Chew, und die bereits erwähnte, vollständige Sammlung der offiziellen Appalachian Trail Guides, die elf Taschenbücher und 59 Karten umfaßt, letztere allesamt von unterschiedlicher Größe und Aufmachung und mit verschiedenen Maßstäben. Diese Anthologie stellt den gesamten Weg vom Springer Mountain bis zum Mount Katahdin dar und ist zu dem stolzen Preis von 233,45 Dollar zu haben. Beim Hinausgehen fiel mir ein Buch auf, Bären: Jäger und Gejagte in Amerikas Wildnis. Ich schlug es wahllos auf, las den Satz: »Hier haben wir ein typisches Beispiel für den nicht selten auftretenden Fall, daß ein Schwarzbär einen Menschen erblickt und beschließt, ihn zu töten und zu fressen«, und warf es gleich mit in die Einkaufstüte.
Ich brachte den Krempel nach Hause und trug ihn in mehreren Etappen runter in den Keller. Es war ungeheuer viel, und mit der ganzen Technik der Ausrüstung war ich absolut nicht vertraut; es war spannend und gleichzeitig beängstigend, hauptsächlich beängstigend. Ich setzte die Stirnlampe auf, nur so zum Spaß, zog das Zelt aus der Plastikhülle und baute es auf. Ich rollte die Isomatte aus, die sich selbst aufblies, schob sie ins Zelt und kroch dann selbst mit meinem neuen Schlafsack hinein. Dann schlüpfte ich in den Schlafsack und blieb eine ganze Weile so liegen. Dabei versuchte ich, mich in der teuren, arg begrenzten, noch seltsam neu riechenden, gänzlich ungewohnten Räumlichkeit, die schon bald mein Zuhause fern von zu Hause sein würde, zurechtzufinden. Ich versuchte mir vorzustellen, ich läge nicht in einem Keller, neben dem gemütlichen Heizungskessel mit seinem gezähmten Gebrumm, sondern draußen, auf einem hohen Gebirgspaß, lauschte dem Wind und dem Blätterrauschen, dem einsamen Heulen hundeähnhcher Geschöpfe, dem heiseren Flüstern, aus dem unüberhörbar der Dialekt aus den Bergen von Georgia herausklang: »He, Virgil, hier liegt einer. Hast du an das Seil gedacht?« Es wollte mir nicht gelingen.
Seit ich im Alter von ungefähr neun Jahren aufgehört hatte, aus
Decken und Spieltischen Hütten zu bauen, hatte ich mich nicht mehr in so einer Umgebung aufgehalten. Es war sogar ziemlich urig, und wenn man sich erstmal an den Geruch, von dem ich naiverweise annahm, er würde sich im Laufe der Zeit verflüchtigen, und an die kränklich blaßgrüne Färbung gewöhnt hatte, die das Material allen Dingen um einen herum wie der Schein eines leuchtenden Radarschirms verlieh, war es gar nicht so furchtbar. Vielleicht ein bißchen klaustrophobisch, komisch riechend, aber dennoch gemütlich und urig.
Es würde schon nicht so schlimm werden, redete ich mir ein. Aber insgeheim wußte ich, daß ich mich gründlich irrte.
2. Kapitel
Am 5. Juli 1983 schlugen drei erwachsene Aufseher und eine Gruppe Jugendlicher an einer bei Wanderern beliebten Stelle am Lake Canimma mitten in einem würzig riechenden Kiefernwald westlich von Quebec, ungefähr 130 Kilometer nördlich von Ottawa, in einem Park, der sich La Verendrye Provincial Reserve nennt, nachmittags ihr Lager auf. Sie kochten sich ein Abendessen und verstauten anschließend ihre Lebensmittelvorräte, wie es sich gehört, in einen Beutel, trugen diesen etwa 100 Meter weit in den Wald hinein und hängten ihn zwischen zwei Bäumen auf, in einer Höhe, die für Bären nicht zu erreichen war.
Um Mitternacht strich ein Schwarzbär am Rand des Lagers herum, entdeckte den Beutel und holte ihn herunter, indem er auf den Baum kletterte und einen Ast abknickte. Er plünderte den Vorrat und verschwand, kehrte aber eine Stunde später wieder zurück und betrat diesmal das Lager, angezogen von dem Geruch gebratenen Fleischs, der noch in den Kleidern und Haaren, den Schlafsäcken und Zelten der Leute hing. Es sollte eine lange Nacht für die Gruppe am Lake Canimma werden. Zwischen Mitternacht und halb vier stattete der Bär dem Lager dreimal einen Besuch ab.
Stellen Sie sich, falls Sie Masochist sind, vor, Sie liegen mutterseelenallein im Dunkeln in einem kleinen Zelt, zwischen Ihnen und der kalten Nachtluft nur eine Nylonmembran von ein paar tausendstel Millimeter Dicke, und draußen rumort dieser zentnerschwere Koloß. Stellen Sie sich vor, Sie hören sein leises Grunzen und unerklärliches Schniefen, das Schmatzen und Nagen, das Tapsen der Ballen unter
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