Picknick mit Bären
zurückgetorkelt kam und heiser flüsterte: »Bär!« bevor er in tiefe Bewußtlosigkeit versank.
Die Wälder waren voller Gefahren – Klapperschlangen und Mokassinschlangen, Rotluchse, Bären, Kojoten, Wölfe und Wildschweine; gemütskranke Hinterwäldler, durch den großzügigen Konsum von Maisschnaps und sündigen Sexualpraktiken über Generationen aus der Bahn geworfen; tollwütige Stinktiere, Waschbären und sogar Eichhörnchen; unbarmherzige, rote Ameisen und wütende Kriebelmücken; gemeiner Giftsumach, kletternder Giftsumach, giftige Färbereiche und giftige Salamander; versprengte Elche, die von einem parasitären tödlichen Wurm befallen sind, der sich in ihrem Gehirn einnistet und sie dazu anstiftet, harmlose Wanderer über entlegene, sonnenbeschienene Wiesen zu jagen und sie in Gletscherseen zu treiben.
Unvorstellbare Dinge konnten einem da draußen widerfahren. Ich habe von einem Mann gehört, der nächtens zum Pinkeln aus seinem Zelt trat und von einer kurzsichtigen Eule am Kopf gestreift wurde – seinen Skalp sah er zuletzt von den Krallen des Vogels herab- baumeln, hübsch anzuschauen vor der Silhouette des Vollmonds; und von einer jungen Frau, die von einem Kitzeln am Bauch aufwachte, in ihren Schlafsack blickte und eine Mokassinschlange entdeckte, die es sich in der Wärme zwischen ihren Beinen gemütlich gemacht hatte. Ich habe vier verschiedene Versionen – stets mit einem unterdrückten Lachen vorgetragen – von ein und derselben Geschichte über das Zusammentreffen von Wanderern und Bären gehört, die sich für einen kurzen, aufreibenden Moment ein Zelt miteinander teilten; Geschichten von Leuten, die auf einem Gebirgskamm, von einem plötzlichen Sturm überrascht und von mannsdicken Blitzstrahlen getroffen, sich in Dampf auflösten (»es blieb nur noch ‘n Brandfleck von ihm übrig«); Geschichten von Zelten, die von stürzenden Bäumen zerschmettert, von strömendem Regen wie auf Kugellagern ganze Abhänge hinuntergerollt, gleitschirmartig in ferne Täler getragen oder von der Wasserwand einer Sturzflut weggespült wurden; von unzähligen Wanderern, deren letzter Gedanke im Angesicht der erzitternden Erde war: »Was um Himmels willen -?«
Bereits die oberflächliche Lektüre von Abenteuerbüchern und ein Mindestmaß an Phantasie reichten aus, um sich Situationen auszumalen, in die ich unweigerlich geraten würde: umzingelt von Wölfen, die der Hunger treibt; in die Flucht geschlagen von bissigen Ameisen, taumelnd, mir die Kleider vom Leib reißend oder wie versteinert vom Anblick des zum Leben erwachten Unterholzes, das wie ein Unterwassertorpedo auf mich zukommt und sich als schrankgroßes Wildschwein mit kalten, glänzenden Augen entpuppt, das mich, begleitet von markigen Grunzlauten, mit unstillbarem Appetit auf rosiges, schwabbeliges, vom Stadtleben verweichlichtes Menschenfleisch lustvoll verzehrt.
Dann wären da noch diverse Krankheiten zu nennen, für die der Mensch in der Wildnis anfällig ist – Giardiasis, östliche Pferdeenzephalitis, Rocky-Mountain-Fleckfieber, Lymekrankheit, Ehrlichiosis, Bilharziose, Bruzellose und die bazilläre Ruhr, um nur eine kleine Auswahl zu nennen. Die östliche Pferdeenzephalitis, durch einen Moskitostich hervorgerufen, greift Gehirn und Zentralnervensystem an. Man kann von Glück sagen, wenn man den Rest seines Lebens im Sessel sitzend verbringen darf, mit Lätzchen um den Hals – im allgemeinen ist die Krankheit tödlich. Ein Gegenmittel ist nicht bekannt. Nicht weniger interessant ist die Lymekrankheit, die durch den Biß einer winzigen Rotwildzecke übertragen wird. Unentdeckt kann das Virus jahrelang im menschlichen Körper schlummern, bis es sich in einem wahren Inferno Bahn bricht. Diese Krankheit ist etwas für Leute, die es wirklich wissen wollen. Zu den Symptomen zählen – ohne Garantie auf Vollständigkeit – Kopfschmerzen, Erschöpfungszustände, Fieberanfälle, Schüttelfrost, Kurzatmigkeit, Schwindelgefühl, stechende Gliederschmerzen, Herzrhythmusstörungen, Gesichtslähmung, Muskelzuckungen, schwere geistige Schäden, Verlust der Kontrolle über Körperfunktionen und - was niemanden überraschen wird – chronische Depression.
Hinzu kommt die kaum bekannte Familie der Organismen, die man als Hantaviren bezeichnet. Sie tummeln sich mit Vorliebe in den Mikroschwaden, die sich über Mäuse- und Rattenkot bilden, und werden in die menschlichen Luftwege eingesogen, wenn der Betreffende versehentlich eine der Atemöffnungen in
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