Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Pilot Pirx

Pilot Pirx

Titel: Pilot Pirx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
Vom Netzwerk:
gekommen. Wenn die erste Sonde versagt hätte, die für die Cassinische Teilung vorgesehen war, hätten wir sofort umkehren müssen, ohne unseren Auftrag erfüllt zu haben, weil die anderen beiden Sonden nicht imstande waren, die erste zu ersetzen: Sie hatten keine wissenschaftliche Apparatur an Bord. Wäre die dritte Sonde ausgefallen, hätten wir mit erfülltem Auftrag zurückfliegen können, weil ja der ersten Sonde zur Kontrolle auch eine Sonde als »Wächter« genügt hätte, und das wäre dann eben die zweite Sonde gewesen. Aber es war ausgerechnet die zweite, die versagte und uns auf halbem Weg überraschte, mit einer zwar begonnenen, aber nicht abgeschlossenen Aufgabe.
    Was war passiert? Das Zündkabel hatte sich zu zeitig gelöst, und dadurch konnte Calder den Startautomaten nicht ausschalten. Die Expertise der Sachverständigen lautete, das Kabel habe sich verfangen und zu einem Knoten verschlungen. So was kommt vor. Ich hatte allerdings vier Tage vor dem Ereignis die Trommel gesehen, auf die das Kabel – sehr ordentlich und gleichmäßig – aufgespult war.
    Der Bugteil der Sonde war deformiert, er war mit der Abplattung fest in der Rampe eingekeilt. Als Ursache fand man lediglich folgende Erklärung: Offensichtlich sei der Booster daran schuld gewesen, denn er sei nicht in der Achse ausgebrannt. Die Sonde, von heftigem Seitenschub vorwärts gestoßen, sei so unglücklich gegen den Rand des Ausstoßluks geschlagen, daß ihr Kopf dabei plattgedrückt und deformiert wurde. Aber die Sonde verklemmte sich vor dem Zünden des Boosters und nicht danach! In diesem Punkt gab es für mich keinen Zweifel, aber niemand fragte mich danach. Was Quine betrifft, so war er sich darin nicht ganz sicher, und die anderen Menschen durften in dieser Sache nicht aussagen, da sie keinen direkten Zugang zur Steuerung und zu den Instrumenten hatten.
    Die Sonde einzuklemmen, ohne irgendwelche Spuren zu hinterlassen – das war im übrigen ein Kinderspiel. Man brauchte nur ein paar Eimer Wasser durch den Ventilationsschacht in die Rampe zu schütten. Das Wasser lief zum Luk, gefror um die Sonde herum und schweißte sie durch einen Ring aus Eis mit dem Rand des Ausstoßluks zusammen. Die Temperatur des Luks ist ja genau so niedrig wie die Temperatur des Vakuums. Calder schlug bekanntlich mit der Tatze sehr heftig auf den Sondenkörper. Zu diesem Zeitpunkt war sie noch keineswegs eingeklemmt, aber er saß ja an der Steuerung, und keiner konnte das nachprüfen. Er machte im Grunde genau dasselbe, was ein Schmied beim Nieten macht. Der Bug der Sonde, der fest in dem Eisring saß, deformierte sich, verbreiterte sich und wurde breitgeklopft wie ein Nietenkopf. Als der Booster zündete, stieg in der Rampe sofort die Temperatur: Das Eis schmolz, das Wasser verdunstete, und von der ganzen geschickten Manipulation blieb nicht die geringste Spur zurück.
    Von alledem wußte ich während der Havarie noch nichts. Die Häufung der Zufälle kam mir allerdings etwas seltsam vor: Daß gerade die zweite Sonde ausfiel und nicht die erste oder die dritte, daß das Kabel zwar die Zündung des Boosters ermöglicht, aber gleichzeitig das Ausschalten des Sondentriebwerks vereitelt hatte – es war der Zufälle ein bißchen zuviel. Die Havarie überraschte mich völlig, zum Nachdenken kam man kaum. Dennoch zuckte mir blitzartig der Gedanke durch den Kopf, ob nicht vielleicht eine Verbindung zwischen den Vorfällen und dem anonymen Brief bestünde. Sein Verfasser hatte mir »Hilfe« versprochen, er stand, wie er mir geschrieben hatte, auf meiner Seite, er wollte beweisen, daß Wesen seiner Art für die Raumfahrt ungeeignet seien. Auch in diesem Punkt besitze ich keinerlei Beweise, aber ich glaube, daß dieser Brief von Calder stammte. Gewiß, er stand auf meiner Seite, aber einen Verlauf der Ereignisse, der gezeigt hätte, daß er ungeeignet, und zwar schlechter sei als ein Mensch – das wünschte er sich nicht. Die Möglichkeit einer Rückkehr auf die Erde, nach der ich, sein Flugkapitän, mich hingesetzt und eine disqualifizierende Beurteilung über ihn geschrieben hätte, schloß er von vornherein aus. Unsere Ziele stimmten mithin nur bis zu einem bestimmten Punkt der Route überein, dann trennten sich unsere Ambitionen.
    In seinem Brief hatte er mir zu verstehen gegeben, daß uns eine Art Bündnis vereine. Aus dem, was er von mir und über mich gehört hatte, folgerte er, daß auch ich die Chance in Erwägung zog, die mir ein an Bord arrangierter

Weitere Kostenlose Bücher