Pilot Pirx
hatten sie tatsächlich zuviel von diesem Pulver dort ausgeschüttet. Der Pulversteg führte bis in den Korridor, durch eine Ritze unter der Tür, und schon war Barn »geschafft« – die ganze Woche hindurch wurde von nichts anderem als von Geistern geredet. Pirx war ja kein Schwachkopf, er hatte die Rollen gut verteilt: Einige seiner Kameraden erzählten gruselige Geschichten, die anderen mußten ungläubig zuhören, damit Barn die List nicht mehr zu schnell durchschaute. Barn beteiligte sich nicht an diesen metaphysischen Erörterungen, er spöttelte nur über die eifrigsten Anhänger des »Jenseits«, aber sein Spott sollte ihm vergehen. Es war ein unbeschreiblicher Anblick, als er gegen Mitternacht aus seinem Zimmer stürzte, brüllend wie ein Ochse, der von einem Tiger verfolgt wird. Die Flamme drang durch die Ritze unter der Tür, kreiste dreimal um das Zimmer und explodierte unter dem Tisch mit einem Knall, daß die Bücher herunterfielen. Aber Pirx hatte den Spaß zu weit getrieben, denn es fing an zu brennen. Ein paar Eimer Wasser löschten zwar das Feuer, ein Loch war jedoch eingebrannt, und außerdem stank es nach Kordit. In gewissem Sinne war es also ein Mißerfolg gewesen, denn Barn wollte auch nach der Aktion nicht an Geister glauben. Ja, es wird sich um die »Geist«-Affäre handeln, sagte sich Pirx, als er am frühen Morgen aufstand. Er zog sich ein sauberes Hemd an, warf für alle Fälle noch einen Blick in die Bücher und trat den schweren Gang an.
Das Arbeitszimmer des Chefs war prunkvoll ausgestattet – Pirx kam es wenigstens so vor. Die Wände waren mit Himmelskarten behängt; Sternbilder, gelb wie Honigtropfen, hoben sich leuchtend vom dunkelblauen Hintergrund ab. Auf dem Schreibtisch stand ein kleiner Mondglobus; überall Bücher, Diplome und ein zweiter riesiger Globus am Fenster. Dieser zweite war ein wahres Wunder; ein Knopfdruck genügte, und jede gewünschte Satellitenbahn flammte auf – nicht nur die neuen künstlichen Erdtrabanten waren berücksichtigt, sondern auch die ersten, historischen aus dem Jahre siebenundfünfzig.
An diesem Tage hatte Pirx jedoch kein Auge für den Globus. Der Chef schrieb, er bot Pirx einen Platz an und bat ihn um ein wenig Geduld. Endlich nahm er die Brille ab – er trug sie erst seit einem Jahr – und betrachtete den Studenten, als sähe er ihn zum erstenmal. Das war nun mal seine Art. Selbst ein Heiliger, der nichts auf dem Gewissen hatte, konnte unter diesem Blick die Ruhe verlieren. Pirx war kein Heiliger, er hielt es in seinem Sessel nicht aus. Mal lehnte er sich zurück, fläzte sich ungezwungen hin wie ein Millionär an Deck einer eigenen Jacht, dann wieder rutschte er nach vorn, auf die eigenen Fersen zu. Der Chef ertrug das Schweigen.
»Was gibt’s Neues, mein Junge?« fragte er schließlich.
Wenn er mich duzt, steht die Sache nicht so schlecht, dachte Pirx. Er sagte, alles sei in bester Ordnung.
»Du hast gebadet?«
Pirx bejahte. Was soll das? fragte er sich. Das Mißtrauen verließ ihn nicht. Vielleicht, weil ich so rüde mit dem Assistenten umgesprungen bin ...
»Es gibt da eine freie Stelle für das Praktikum, auf Mendelejew. Weißt du, wo das liegt?«
»Ja, das ist die astrophysikalische Station auf der ›anderen Seite‹«, erwiderte Pirx. Er war ein wenig enttäuscht, denn er hatte im stillen etwas anderes erhofft, und er hatte diese Hoffnung nie laut werden lassen, um ihre Verwirklichung nicht zu hintertreiben. Er hatte mit etwas anderem gerechnet – mit einem Flug. Es gab so viele Raketen, so viele Planeten, er aber sollte eine gewöhnliche stationäre Aufgabe auf der »anderen Seite« bekommen ... Einst war es noch sehr modern, die entgegengesetzte, von der Erde aus unsichtbare Hälfte des Mondes als die »andere Seite« zu bezeichnen, aber inzwischen redeten ja alle so.
»Richtig. Weißt du, wie sie aussieht?« fragte der Chef. Er hatte einen sonderbaren Gesichtsausdruck, er schien etwas in petto zu haben. Pirx zögerte eine Weile, er wußte nicht, ob er lügen sollte.
»Nein«, sagte er.
»Wenn du die Aufgabe annimmst, bekommst du die gesamte Dokumentation.« Der Chef legte die Hand auf einen Stoß Papiere.
»Ich brauche nicht anzunehmen?« fragte Pirx mit unverhohlenem Eifer.
»Nein. Die Aufgabe ist gefährlich – das heißt, sie kann gefährlich werden ...«
Er wollte noch etwas hinzufügen, unterließ es aber. Er hielt absichtlich inne, um sein Gegenüber genauer zu mustern. Pirx starrte ihn erstaunt an. Langsam,
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