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Pilot Pirx

Pilot Pirx

Titel: Pilot Pirx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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...«
    »Ich werde mich vernünftig verhalten«, sagte Pirx entschieden.
    »Ich bezweifle es. Ich schicke dich hin, aber ich mache mir keine Illusionen. Wäre nicht dieser erste Platz ...«
    »Das Bad!« sagte Pirx mit Entdeckermiene.
    Der Chef tat, als habe er nichts gehört. Er reichte ihm zuerst die Papiere und dann die Hand.
    »Du startest morgen um acht. Nimm sowenig Sachen mit wie möglich. Im übrigen warst du schon mal dort, du kennst dich also aus. Hier ist der Flugschein und hier ein reservierter Platz für die Transgalaktik. Du fliegst bis Luna-Hauptstation. Von dort wird man dich weiterschleusen.«
    Er sagte noch etwas. Ein paar freundliche Worte auf den Weg? Ein Abschiedswort? Pirx wußte es nicht. Er hörte nichts. Er konnte nichts hören, denn er war schon weit weg, auf der »anderen Seite«. In seinen Ohren hallte das Donnern der Triebwerke, in seinen Augen standen die toten weißen Flammen der Mondfelsen, und auf seinem ganzen Gesicht lag ein Staunen – das gleiche Staunen wie bei den beiden Kanadiern, die auf so rätselhafte Weise umgekommen waren. Er machte kehrt und stolperte über einen großen Globus. Die Stufen nahm er in zwei Sprüngen, als wäre er bereits auf dem Mond, wo nur ein Sechstel der irdischen Schwerkraft herrscht. Vor dem Gebäude wäre er fast unter ein Auto geraten, das mit einem so lauten Quietschen bremste, daß die Leute stehenblieben. Aber auch das bemerkte er nicht. Zum Glück konnte der Chef die Anfänge seines »vernünftigen Verhaltens« nicht sehen, denn er war zu seinen Papieren zurückgekehrt.
     
    In den nächsten vierundzwanzig Stunden geschahen mit, an und um Pirx so viele Dinge, daß er sich fast nach dem salzigen Wasserbad zurücksehnte, in dem sich absolut nichts ereignet hatte.
    Bekanntlich schadet dem Menschen sowohl ein Zuwenig als auch ein Zuviel an Eindrücken, aber Pirx kam nicht dazu, lange darüber nachzudenken. Den Bemühungen des Chefs, die Aufgabe zu bagatellisieren, ja als lächerlich hinzustellen, war kein Erfolg beschieden – Pirx ließ sich nicht irremachen. Er bestieg das Flugzeug mit einer Miene, daß die hübsche Stewardeß instinktiv einen Schritt zurückwich – was ein völliges Mißverständnis war, denn er hatte sie überhaupt nicht bemerkt. Er schritt gewissermaßen an der Spitze einer eisernen Kohorte, setzte sich wie weiland Wilhelm der Eroberer in den Sessel, kam sich vor wie ein kosmischer Erlöser der Menschheit, ein Wohltäter des Mondes, ein Entdecker schrecklicher Geheimnisse, ein Bändiger der Ungeheuer im »Jenseits« – all das aber erst in Zukunft, in spe. Dieses »in spe« trübte seine Stimmung keineswegs – im Gegenteil: Es erfüllte ihn mit unendlicher Güte und Nachsicht gegenüber den Mitreisenden, die ja nicht ahnen konnten, wer dort mit ihnen im Bauch des großen Düsenflugzeuges saß. Er betrachtete sie, wie Einstein am Ende seines Lebens Säuglinge betrachtet haben mochte, die im Sande spielten.
    »Selene«, das neue Schiff der Transgalaktik-Linie, startete vom nubischen Kosmodrom im Herzen Afrikas. Pirx war zufrieden. Nicht daß er glaubte, man werde dort eine Gedenktafel mit seinem Namen anbringen – nein, so kühn waren seine Träume nicht –, aber immerhin, viel fehlte da nicht. Um so bitterer waren die Wermutstropfen, die in den Becher seiner Eigenliebe fielen, als er die Rakete bestieg. Daß ihn im Flugzeug niemand erkannt hatte, war nicht so schlimm, aber daß man ihn auch im Raumschiff nicht beachtete, war schlechthin empörend. Er war gezwungen, in der Touristenklasse Platz zu nehmen, mitten zwischen Franzosen, die Fotoapparate um den Hals trugen und sich gegenseitig zu überschreien versuchten – rasend schnell und völlig unverständlich. Er, Pirx, zwischen lärmenden Touristen!
    Niemand befaßte sich mit ihm, niemand zog ihm einen Skaphander über und pumpte ihn auf, niemand fragte, wie er sich fühle, niemand hängte ihm Flaschen auf den Rücken. Sicherlich geschieht das zu meiner Tarnung! redete er sich ein, und eine Zeitlang spendete ihm dieser Gedanke Trost.
    Der Raum der Touristenklasse ähnelte der Kabine eines Düsenflugzeugs – nur die Sessel waren größer, tiefer, und vor seinen Augen hing ein Schild mit Verbotsaufschriften. Man durfte nicht aufstehen und nicht rauchen. Vergebens versuchte Pirx in der Menge der Laien dadurch aufzufallen, daß er eine zünftigere Haltung einnahm als sie, indem er ein Bein über das andere schlug und die Sicherheitsgurte nicht benutzte. Es war nicht die

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