Pilot Pirx
annehmen, er äußerte die Vermutung, Pirx leide nach dem Raketenflug unter einer Raumkrankheit. »Sie sind zum erstenmal auf dem Mond, wie?« fragte er und bot ihm Pillen an. Das war der Tropfen, der das Maß überlaufen ließ. Pirx aß auf, kaufte sich am Büfett vier Päckchen Kekse und fuhr ins Hotel. Sein ganzer Zorn konzentrierte sich auf den Portier, der ihm ein »Stück Mond« anbot, einen glasigen Basaltbrocken. »Laß mich in Ruh, du Krämerseele! Ich bin vor dir hier gewesen!« schrie er und ließ den Portier stehen. Er zitterte vor Wut.
In einem Zweibettzimmer saß unter der Deckenleuchte ein kleiner Mann in einer verblichenen Windjacke – rothaarig, leicht ergraut, mit einer auf die Stirn fallenden Haarsträhne und gebräuntem Gesicht. Bei Pirx’ Eintritt nahm er die Brille ab. Er hieß Langner, Dr. Langner, war Astrophysiker und sollte mit ihm zum Mendelejew fliegen. Das also war der unbekannte Mondgefährte! Pirx, der bereits auf das Schlimmste gefaßt war, nannte seinen Namen, brummelte etwas und setzte sich. Langner war etwa vierzig – in Pirx’ Augen ein gut konservierter Greis. Er rauchte nicht, wahrscheinlich trank er nicht, und vom Reden schien er auch nicht viel zu halten. Er las drei Bücher auf einmal. Das eine war eine Logarithmentafel, das zweite enthielt Formeln, in dem dritten waren lauter Fotos von Spektralskalen abgebildet. In der Hosentasche hatte er einen Arhythmographen, er wußte sich seiner bei Berechnungen geschickt zu bedienen. Hin und wieder stellte er Pirx eine Frage, ohne von seinen Formeln aufzuschauen – Pirx antwortete ihm, den Mund voller Kekse. Das Zimmer war eine Kammer mit zwei Betten und einer Duschecke, in die kein dicker Mann hineinpaßte. Auf kleinen Schildern wurden die Gäste in verschiedenen Sprachen ersucht, Wasser und Strom zu sparen. Man konnte schon zufrieden sein, daß es nicht verboten war, zu seufzen, denn schließlich wurde ja auch Sauerstoff zugeführt. Pirx trank nach den Keksen ein wenig Leitungswasser, es war so kalt, daß ihm die Zähne weh taten. Offenbar waren die Behälter dicht unter der oberen Basaltrinde angebracht. Merkwürdig ... Nach Pirx’ Uhr war es elf, nach Langners zehn Minuten nach Mitternacht und nach der elektrischen an der Wand sieben Uhr abends.
Sie stellten die Uhren auf Mondzeit um, obwohl sie wußten, daß auch die nur vorübergehend gültig war, denn Mendelejew hatte wie die ganze »andere Seite« eine eigene Zeit.
Bis zum Start der Rakete verblieben neun Stunden. Langner verließ wortlos den Raum. Pirx schob den Sessel unter die Deckenleuchte und vertrieb sich die Zeit, indem er in ein paar alten, zerknitterten Zeitschriften las, die auf dem kleinen Tisch lagen. Schließlich konnte er nicht länger stillsitzen und trat hinaus. Der Korridor ging hinter der Biegung in eine kleine Diele über, in der mehrere Sessel standen. Ihnen gegenüber war ein Fernsehgerät in die Wand eingelassen. Ein Programm für Luna-Hauptstation aus Australien lief gerade, es war ein Bericht über Leichtathletikwettkämpfe. Sie interessierten ihn nicht sonderlich, aber er nahm Platz und sah zu, bis er schläfrig wurde. Er stand auf und schnellte einen halben Meter hoch – er hatte die geringe Schwerkraft vergessen.
Wann endlich durfte er die Zivilkleidung ablegen und von wem würde er einen Skaphander bekommen? Wo waren die Instruktionen? Was hatte das alles zu bedeuten? Er wäre irgendwo hingegangen, um sich zu erkundigen, aber dieser Dr. Langner schien die Situation offenbar für die normalste der Welt zu halten ... Na, meinetwegen! dachte Pirx. Wenn er nichts sagt, dann sage ich auch nichts ...
Die Übertragung war zu Ende. Pirx schaltete das Gerät aus und kehrte in sein Zimmer zurück. So hatte er sich den Aufenthalt auf dem Mond nicht ausgemalt. Als er unter der Dusche stand, hörte er durch die dünne Wand Stimmen – im Nebenzimmer unterhielten sich Touristen, die er aus der Gaststätte kannte. Der Mond schien sie in Euphorie versetzt zu haben. Er, Pirx, verspürte nichts dergleichen. Er wechselte das Hemd, nur um irgend etwas zu tun, und als er sich aufs Bett legte, kehrte Langner zurück – mit vier anderen Wälzern.
Pirx überrieselte es kalt, in ihm regte sich der Verdacht, einen fanatischen Wissenschaftler vor sich zu haben, eine jüngere Version von Professor Merinus.
Langner legte neue Fotogramme auf den Tisch und betrachtete sie durch die Lupe. Er war aufs höchste gespannt – so eifrig pflegte Pirx nicht einmal die Fotos
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