Pilot Pirx
durchgeführt hatten, wurde einer von uns, Professor Animzew, beratendes Mitglied der australischen Planungsgruppe – er kannte sehr gut die lokalen Bedingungen. Plötzlich erfuhren wir, daß sich die Engländer dennoch an dieser Sache beteiligten. Sie schickten Shanner, der erklärte, daß auf dem Boden des Kraters sekundäre Strahlungsbündel entstehen könnten und die erzielten Ergebnisse stören würden. Unsere Spezialisten waren der Meinung, daß das unmöglich sei, aber schließlich gaben die Engländer den Ausschlag: Es sollte ja ihre Station sein. Sie beschlossen, sie unter den Kamm zu verlegen. Das verteuerte die Sache natürlich erheblich, und die gesamten Mehrkosten wurden von den Kanadiern getragen. Aber das war ja nicht so wichtig. Fremde Taschen gehen uns nichts an. Die Lage der Station wurde also bestimmt, und man ging daran, den Weg festzulegen. Animzew berichtete uns davon, denn die Briten wollten anfangs zwei Abgründe auf der Trasse des geplanten Weges durch Eisenbetonbrücken überqueren, doch die Kanadier sprachen sich dagegen aus, weil das die Kosten verdoppeln würde. Nun wollten sie sich in den inneren Hang des Mendelejew hineinbeißen, das heißt zwei Felsrippen mit Richtungsexplosionen durchstoßen. Ich riet ihnen ab, denn das könnte das Gleichgewicht des kristallenen Basaltgrundes stören, aber sie wollten nicht hören. Was hätten wir tun sollen? Sie waren doch keine Kinder! Wir besaßen mehr selenologische Erfahrung, aber wir wollten ihnen unsere Ratschläge auch nicht aufzwingen. Animzew legte sein Votum separatum ein, und dabei blieb es. Sie fingen an, den Felsen wegzuschießen. Der erste Unfug – die Lokalisierung der Station – zog den zweiten nach sich, und die Folgen ließen leider nicht auf sich warten. Die Engländer bauten drei Lawinenschutzmauern, nahmen die Station in Betrieb, Raupentransporter wurden eingesetzt – und, bitte sehr, es gelang. Die Station arbeitete bereits drei Monate, als sich zu Füßen des Überhanges unter dem Sonnentor, dieser großen westlichen Scharte des Kammes, Risse zeigten ...«
Pnin erhob sich, nahm mehrere große Fotos aus dem Schubfach und zeigte sie Pirx. »Da, an dieser Stelle. Es ist ... vielmehr war eine anderthalb Kilometer lange Platte, die an einigen Stellen überhing. Der Weg verlief ungefähr in einem Drittel der Höhe, wie diese rote Linie hier. Die Kanadier bliesen Alarm. Animzew, der immer noch dort war und auf sie einredete, erläuterte ihnen: ›Der Temperaturunterschied zwischen Tag und Nacht beträgt dreihundert Grad. Die Risse werden sich vergrößern, dagegen hilft nichts. Eine anderthalb Kilometer lange Wand kann man nicht stützen! Der Weg muß sofort gesperrt werden, und da die Station bereits fertig ist, muß eine Seilbahn gebaut werden!‹ Man ließ einen Experten nach dem anderen aus England und aus Kanada kommen – das Ganze wurde zur Komödie: Die Experten, die das gleiche wie unser Animzew sagten, wurden sofort nach Hause geschickt. Es blieben nur diejenigen, die gegen die Spalte irgendeinen Rat wußten. Sie begannen zu zementieren. Tiefe Spritzen, Stützen – sie zementierten und zementierten endlos, denn was sie am Tage mit Zement abdichteten, barst in der folgenden Nacht wieder. Über die flache Rinne kamen bereits Lawinen, doch die wurden durch die Mauern aufgehalten. Sie bauten ein System von Keilen, um die größeren Lawinen zu zerteilen. Animzew versuchte, ihnen klarzumachen, daß es nicht nur um die Lawinen gehe – die ganze Platte könne niederstürzen!
Ich brachte es nicht mehr über mich, Animzew anzusehen, wenn er zu uns kam. Er war nahe daran, aus der Haut zu fahren. Er sah die nahende Katastrophe und konnte nichts dagegen tun. Ich möchte es Ihnen ganz loyal sagen: Die Engländer haben ausgezeichnete Spezialisten, aber es war eben kein Spezialistenproblem, kein selenologisches Problem, es war eine Prestigefrage geworden. Sie hatten den Weg gebaut und konnten sich nicht zurückziehen. Animzew legte Protest ein – den wievielten, weiß ich nicht mehr – und ging dann. Später erfuhren wir, daß es zwischen den Engländern und den Kanadiern Streitigkeiten gab, Reibereien im Zusammenhang mit dieser Platte, dem Rand des sogenannten Adlerflügels. Die Kanadier wollten ihn sprengen, denn er ruinierte den ganzen Weg, aber den Engländern paßte das nicht. Animzew hatte berechnet, daß man dazu eine Ladung von sechs Megatonnen Wasserstoff benötigte, die Kommission der Vereinten Nationen verbot jedoch die
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