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Pilot Pirx

Pilot Pirx

Titel: Pilot Pirx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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eine bloße freundliche Geste war es jedenfalls nicht. Er hatte schon fast drei Milliarden Kilometer hinter sich und war noch nie mit einem Raumschiff wie dem »Titan« geflogen. Frachtschiffe sehen ganz anders aus! Hundertachtzigtausend Tonnen Festmasse, vier Reaktoren im Hauptschub, Reisegeschwindigkeit fünfundsechzig pro Sekunde, zwölfhundert Passagiere in lauter Ein- und Zweimannkajüten mit Bad, gepflegte Appartements, garantiert stetige Gravitation, wenn man vom Start und von der Landung absieht, höchster Komfort, größte Sicherheit, zweiundvierzig Mann Besatzung und zweihundertsechzig Mann Bedienung. Keramit, Stahl, Gold, Palladium, Chrom, Nickel, Iridium, Plaste, carrarischer Marmor, Eiche, Mahagoni, Silber, Kristall. Zwei Schwimmbassins, vier Kinos, achtzehn Kabinen mit Direktverbindung zur Erde – allein für die Passagiere! Ein Konzertsaal, sechs Haupt- und vier Promenadendecks, automatische Fahrstühle, Platzbestellungen vom Schiff für alle Raketen des Systems für ein Jahr im voraus. Ein Kaufhaus, Bars, Spielkasinos. Eine sogenannte Handwerkergasse – die getreue Nachbildung einer irdischen Altstadtgasse mit Weinkellern, Gaslaternen, Mond, einer blinden Mauer und sogar mit Katzen, die auf dieser Mauer entlangspazieren. Ein Palmenhain und – weiß der Teufel, was noch alles. Die Reise hätte einen Monat dauern müssen, wenn man all das wenigstens ein einziges Mal auskosten wollte.
    Die Frau las immer noch. Müssen Frauen ihr Haar so färben? Ein normaler Mensch beginnt bei solchen Farben zu zweifeln ... Aber ihr stand das ganz gut ... Mit ’ner brennenden Zigarette in der Hand werden mir schon ein paar passende Worte einfallen, dachte Pirx. Er langte in die Tasche.
    Das Etui – früher hatte er so etwas nie besessen, dieses hier war ein Geschenk von Boman, er bewahrte es aus Freundschaft auf –, dieses Etui also war schwerer als sonst. Nicht viel, aber immerhin ... Wuchs die Beschleunigung?
    Er lauschte. In der Tat!
    Die Triebwerke hatten einen kräftigeren Schub als vorhin. Ein gewöhnlicher Passagier hätte das nicht herausgehört, zumal der Maschinenraum der »Titan« durch vierfache Isolationswände von dem Wohnteil des Rumpfes abgeschirmt war.
    Pirx suchte sich einen blassen Stern in der Ecke des Fensterrahmens aus und behielt ihn fest im Auge. Sollen sie ruhig beschleunigen, dachte er. Ich weiche nicht von der Stelle ... Erst wenn der Stern dort zu zittern beginnt ...
    Er zitterte und glitt langsam – unvorstellbar langsam – zur Seite.
    Drehung in der Längsachse! sagte sich Pirx.
    Der »Titan« flog im »kosmischen Tunnel«, in dem es nichts gab, weder Staub noch Meteoriten – gar nichts, nur das Vakuum. Neunzehnhundert Kilometer vor ihm raste der Lotse, der die Aufgabe hatte, darauf zu achten, daß der Weg für den Riesen frei war. Wozu? Für alle Fälle. Die Raketen hielten sich strikt an den Fahrplan. Ein Abkommen der Vereinigten Astronavigationsgesellschaften garantierte der Transgalaktik-Linie auf ihrem Parabelabschnitt einen störungsfreien Flug. Niemand durfte den Weg des Schiffes kreuzen. Die Meteoritenwarnungen wurden sechs Stunden vorher durchgegeben – seit der Zeit, da unbemannte Sonden zu Tausenden die Tran⁠sur⁠ansektoren patrouillierten, drohte den Raketen praktisch keine Gefahr mehr von außen. Der Gürtel – die Umlaufbahn einer Milliarde Meteoriten zwischen Erde und Mars – hatte einen eigenen Patrouillendienst, überdies verliefen die Raketenbahnen außerhalb der Ebene der Ekliptik, in der sich der rasselnde Gürtel um die Sonne bewegte. Ein ungeheurer Fortschritt gegenüber der Zeit, da Pirx Patrouillenflüge unternommen hatte.
    Für die »Titan« bestand also nicht die geringste Veranlassung, zu lavieren – sie brauchte keinen Hindernissen auszuweichen, weil es keine gab. Und nun bog sie dennoch ab. Pirx hatte es nicht mehr nötig, zum Sternenhimmel aufzublicken, um das zu bemerken – er fühlte es mit jeder Faser seines Körpers. Er hätte ohne weiteres die Bogenkurve berechnen können, er kannte die Geschwindigkeit des Schiffes, seine Masse und das Tempo, in dem die Sterne vorüberglitten.
    Etwas muß geschehen sein! dachte Pirx. Aber was?
    Den Passagieren war nichts mitgeteilt worden. Ob man ihnen etwas verheimlichte? Weshalb? Die Gewohnheiten auf Luxuspassagierschiffen waren ihm fremd, dagegen wußte er, was im Maschinenraum oder im Steuerraum passieren kann. Viel war das nicht. Bei einer Havarie würde das Schiff die Geschwindigkeit entweder

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