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Pilot Pirx

Pilot Pirx

Titel: Pilot Pirx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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hoher Radioaktivität. Die Gesellschaft wird Strafe zahlen müssen, sagte er sich. Sehr gut, soll sie doch, hol sie der Teufel ... Er schnitt eine Grimasse. Ich könnte mich mit der Hafenbehörde auseinandersetzen, könnte darauf hinweisen, daß ich nur mit halber Kraft gestartet bin – aber wozu? Soll ich vielleicht landen, eine Kommission einberufen und eine protokollarische Abschrift der Notierungen in den Uranographen verlangen?
    Pirx hatte andere Sorgen, ihn beschäftigte das Durchstoßen der Atmosphäre. Er hatte noch nie in seinem Leben in einem Raumschiff gesessen, das so zitterte. Etwas Ähnliches mochten wohl nur die Menschen im Kopfteil eines mittelalterlichen Sturmbocks empfunden haben, wenn sie Mauern zum Einsturz brachten. Alles hüpfte auf und nieder, die Männer wurden in den Gurten hin und her gerissen – die Seele drohte ihnen aus dem Leib zu springen. Der Schweremesser schien sich nicht entscheiden zu können, mal zeigte er 3,8 an, mal 4,9, dann kroch er schamlos bis 5, und schließlich fiel er erschrocken auf 3 zurück. Es war, als hätten sie Klöße in den Düsen! Nun hatten sie vollen Schub. Pirx preßte beide Hände um die Haube – anders konnte er die Stimme des Piloten nicht hören. Der »Blaue Stern« brüllte, aber es war beileibe kein ballistisches Triumphgebrüll, sondern ein Verzweiflungsschrei, ein Kampf mit der irdischen Schwerkraft auf Leben und Tod. Minutenlang schien das Schiff unbeweg lich im Raum zu stehen und den Planeten mit Urgewalt zurückzustoßen – so fühlbar waren die qualvollen Bemühungen des »Sterns«! Die Konturen der Bleche und Fugen verschwammen in dem stetigen Vibrieren, Pirx glaubte schon das Bersten der Nähte zu vernehmen, aber es war eine Sinnestäuschung – in dieser Hölle hätte er nicht einmal die Trompeten des Jüngsten Gerichts gehört.
    Die Temperatur der Spitzenpanzerung war der einzige Wert, der nicht schwankte, er ging nicht zurück, sprang nicht hoch, sondern kletterte langsam und gleichmäßig, als sei auf der Skala noch ein Meter Platz. Zweitausendfünfhundert, zweitausendachthundert – kaum ein paar Striche waren übrig. Dabei hatten sie noch nicht einmal die erste kosmische Geschwindigkeit! Alles, was sie herauszuholen vermochten, waren 6,6 km/sec, und das in der vierzehnten Flugminute! Pirx kam ein entsetzlicher Gedanke, ein Alptraum, wie er manchmal Piloten heimsucht: die Vorstellung, das Raumschiff habe sich überhaupt nicht von der Erde gelöst ... Vielleicht sind das gar nicht vorüberhuschende Wolken dort auf dem Bildschirm – vielleicht ist es Dampf aus geplatzten Kühlrohren! Aber so war es nicht: Sie flogen. Der Sanitäter lag kreidebleich da, er schien krank zu sein. Von ihm werden wir nicht viel Fürsorge erwarten können, dachte Pirx. Die Ingenieure hielten sich gut, Boman schwitzte nicht einmal – er war grau im Gesicht, hielt die Augen geschlossen, still und friedlich wie ein kleiner Junge. Unter den Sitzen spritzte Flüssigkeit aus den Amortisatoren, daß es nur so eine Art hatte – die Kolben stießen fast ganz durch. Bin neugierig, was geschieht, wenn sie wirklich durchstoßen, dachte Pirx.
    Die altmodische Anordnung der Meßuhren war ihm ungewohnt, er wandte den Kopf stets nach der verkehrten Seite, wenn er Schub, Kühlung, Geschwindigkeit oder den Zustand der Panzerung kontrollieren wollte.
    Der Pilot schrie – anders war es ihm nicht möglich, sich mit Pirx über Interkom zu verständigen. Er schien ein wenig die Übersicht verloren zu haben, denn der »Stern« wich vom Kurs ab. Es waren zwar nur geringe, ja winzige Abweichungen, aber beim Durchstoßen der Atmosphäre genügten sie, um die eine Flanke des Schiffes stärker zu erhitzen als die andere. So etwas führt zu ungeheuren thermischen Spannungen in der Panzerung und kann unter Umständen fatale Folgen haben. Pirx blieb nichts weiter übrig, als zu hoffen. Wenn die zottige Schale Hunderte solcher Starts ausgehalten hat, dann wird sie auch diesen überstehen, dachte er.
    Der Thermodampfzeiger war inzwischen bis zum Skalenende vorgerückt – dreitausendfünfhundert Grad. Noch zehn Minuten diese Temperatur, und die Panzerung geht aus den Fugen, sagte sich Pirx. Selbst Karbide sind nicht unzerstörbar ... Wie dick mag der Panzer sein? Keine Angaben ... Jedenfalls ist er ordentlich angesengt ... Ihm wurde heiß, aber das war wohl mehr auf seine rege Phantasie zurückzuführen, denn innen zeigte das Thermometer siebenundzwanzig Grad an, wie beim Start. Sie hatten

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