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Pilot Pirx

Pilot Pirx

Titel: Pilot Pirx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Säule, sondern ein Vulkan. Achthundert Grad in der Ummantelung – und das nach erst vier Flugstunden! Die Kühlung kreiste unter einem maximalen Druck von zwanzig Atmosphären. Pirx überlegte. Das Schlimmste schienen sie überwunden zu haben. Die Landung auf dem Mars war kein Problem – die Schwerkraft war um die Hälfte geringer, die Atmosphäre dünner. Irgendwie zurückkommen würden sie schon. Aber die Säule, die Säule – es mußte etwas geschehen ... Er trat an den Kalkulator, stellte Berechnungen an, wollte wissen, wie lange sie noch mit diesem Schub fliegen müßten, um auf die Kurierlinie zu kommen. Bei einer Geschwindigkeit unter achtzig Kilometer pro Sekunde würden sie sich sehr verspäten.
    »Noch achtundsiebzig Stunden«, antwortete der Kalkulator.
    Achtundsiebzig Stunden? Das müßte die Säule sprengen! Wie ein Ei würde sie auseinanderfliegen – daran war nicht zu zweifeln. Pirx beschloß, die erforderliche Geschwindigkeit nicht auf einmal, sondern nach und nach zu entwickeln. Der Kurs würde sich dadurch ein wenig komplizieren, und man mußte auch Abschnitte ohne Schub fliegen, ohne Schwerkraft also, was nicht gerade zu den angenehmsten Dingen gehörte. Aber wie dem auch war – es gab keinen anderen Ausweg. Er schärfte dem Piloten ein, den Sternkompaß nicht aus den Augen zu lassen, und fuhr mit dem Fahrstuhl zum Reaktor hinunter. Als er den dunklen Korridor durchquerte, der von Laderäumen flankiert war, vernahm er ein dumpfes Dröhnen – es hörte sich an, als galoppiere eine Schar gepanzerter Reiter über Eisenplatten.
    Pirx beschleunigte seinen Schritt, ein schwarzes Knäuel geriet ihm zwischen die Füße – die Katze. Sie jagte wie ein Blitz davon, gleichzeitig fiel irgendwo in der Nähe eine Tür ins Schloß, daß es krachte. Dann wurde es still. Pirx eilte weiter. Vor ihm öffnete sich wie ein Schlund der Hauptgang, der von schmutzigtrüben Lampen erhellt war, aber außer kahlen, geschwärzten Wänden war nichts zu sehen. Im Hintergrund brannte eine Glühbirne, das Kabel pendelte hin und her – irgend jemand hatte es in Schwingungen versetzt.
    »Terminus!« rief Pirx aufs Geratewohl, aber nur das Echo antwortete ihm. Er wandte sich um, eilte in den Vorraum der Atomsäule, traf aber Boman, der vor ihm heruntergefahren war, nicht mehr an. Die Luft, trocken wie Sand, brannte in den Augen. Heißer Wind rauschte in den Trichtern der Ventilatoren, es herrschte ein Getöse wie in der Nähe eines Dampfkessels. Die Säule selbst arbeitete geräuschlos wie jede andere – der Lärm wurde von den Kühlaggregaten verursacht, die bis zum äußersten strapaziert waren. Die von einer Betonschicht umgebenen, kilometerlangen Rohrleitungen, durch die eiskalte Flüssigkeit strömte, gaben eigenartig klagende, stammelnde Laute von sich. Die Zeiger der Pumpen hinter den linsenartigen Gläsern waren ausnahmslos nach rechts gerichtet. Die wichtigste der Uhren – sie gab die Dichte des Neutronenstroms an – leuchtete wie ein Mond. Ihr Zeiger berührte fast die rote Grenze – ein Anblick, der jeden Kontrollinspekteur an den Rand eines Herzinfarkts gebracht hätte. Die felsenähnliche Betonwand, narbig und rauh von den vielen Zementflicken, strahlte tödliche Hitze aus. Die Bleche der Plattform vibrierten – es war ein unangenehmes, nervöses Beben, das sich dem ganzen Körper mitteilte. Das Lampenlicht spiegelte sich ölig in den blitzenden Scheiben der Ventilatoren, ein weißes Si⁠⁠gnallämpchen begann zu flackern und verlosch, statt dessen flammte ein rotes Warnlicht auf. Pirx trat unter die Plattform, um nach den Leitungsschaltern zu sehen, aber Boman war ihm zuvorgekommen, er hatte den Automaten bereits auf Unterbrechung der Kettenreaktion in vier Stunden geschaltet. Die Geigerzähler tickten ruhig, der Signalisator zeigte ein kleines Leck an – 0,3 Röntgen pro Stunde. Pirx warf noch einen Blick in die dunkle Ecke der Kammer. Sie war leer.
    »Terminus!« rief er. »He, Terminus!«
    Keine Antwort. Die Mäuse in ihren Käfigen huschten wie weiße Flecke hin und her – sie fühlten sich offenbar nicht sonderlich wohl in der subtropischen Hitze. Pirx verließ die Kammer und verriegelte hinter sich die Tür. Draußen, im kühlen Gang, befiel ihn ein Zittern, sein Hemd war schweißnaß. Ziellos und ohne zwingenden Grund wagte er sich in die immer enger werdenden Gänge des Hecks vor, in denen Halbdunkel herrschte, bis ihm eine blinde Wand den Weg versperrte. Er berührte sie. Sie war warm.

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