Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Pilot Pirx

Pilot Pirx

Titel: Pilot Pirx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
Vom Netzwerk:
Spezialfahrzeugen und rieben den Boden mit Sandstrahlgebläsen ab, Sirenengeheul ertönte, schwarz-rote Kontrollwägelchen, schachbrettartig bemalt, rasten in alle Winde auseinander. Im Kommandoturm schrie sich jemand heiser, oben kreisten wie große Bumerangs die Radargeräte – kurz, alles war so wie immer.
    Pirx war überall. Er nahm Frischfleisch in Empfang, das im letzten Augenblick angeliefert wurde, tankte Trinkwasser und überprüfte die Kühlaggregate – die Mindesttemperatur betrug minus fünf Grad, der Kontrolleur wackelte bedenklich mit dem Kopf, aber er ließ sich erweichen und unterschrieb. Bei der Probe begannen die Kompressoren an den Ventilen zu schwitzen, Pirx’ Stimme tönte wie die Posaunen von Jericho. Zu allem Überfluß stellte sich heraus, daß die Wasserlast schlecht verteilt war, irgendein Schwachkopf hatte das Ventil herumgeworfen, bevor sich die Bodenbassins gefüllt hatten. Pirx unterzeichnete Papiere, man drückte ihm gleich fünf auf einmal in die Hand, er wußte gar nicht mehr, was er da unterschrieb.
    Um elf, eine Stunde vor dem Start, geschah es. Die Flughafenbehörde erlaubte den Start nicht – das Düsensystem sei zu alt, der radioaktive Niederschlag zu gefährlich, überdies habe das Raumschiff keinen Borwasserstoffhilfsantrieb wie der »Gigant«, der um sechs gestartet war; Pirx, schon heiser vom vielen Schreien, reagierte ganz ruhig. Ob sich der Flugdienstleiter darüber im klaren sei, was er da sage? Ob er den »Blauen Stern« erst jetzt bemerkt habe? Daraus könnten sich große, sehr große Unannehmlichkeiten ergeben. Zusätzlicher Schutz? Welcher Art? Sandsäcke – wie viele? Dreitausend Stück, Bagatelle! Bitte sehr, er würde auch unter diesen Umständen pünktlich starten. Die Kosten zu Lasten der Compagnie? Mochten sie?
    Er schwitzte. Alles schien sich verschworen zu haben, einzig und allein, um das Chaos noch zu vergrößern. Der Elektriker machte dem Mechaniker Vorwürfe und behauptete, er habe die Notleitung nicht überprüft, der zweite Pilot war »für fünf Minuten« irgendwohin verschwunden, es hieß, er nehme Abschied von seiner Braut, auch der Sanitäter war fort. Vierzig gepanzerte Mammute umringten das Schiff, Männer in schwarzen Monteuranzügen stapelten hastig Sandsäcke – das hektische Lichtsignal am Turm trieb sie zur Eile –, ein Funkspruch war gekommen, aber anstelle des Piloten hatte ihn der Elektriker entgegengenommen und versäumt, ihn einzutragen: »Das ist nicht meine Sache!«
    Pirx brummte der Schädel. Er täuschte nur noch vor, über den Dingen zu stehen. Zwanzig Minuten vor dem Start faßte er einen riskanten Entschluß – er ließ das gesamte Wasser von der Spitze ins Heck umpumpen. Mag geschehen, was will, dachte er. Schlimmstenfalls wird es sieden ... Hauptsache, die Standfestigkeit erhöht sich!
    Elf Uhr vierzig – Motorenprobe. Nun gab es kein Zurück mehr. Pirx’ Vermutung, daß die Männer nichts taugten, erwies sich als übereilt. An Boman fand er sogar Gefallen. Man sah und hörte ihn nicht, dennoch lief alles wie am Schnürchen. Düsengebläse, kleiner Schub, voller Schub – sechs Minuten vor Null, als die Flughafenbehörde »Zum Start« kommandierte, war alles bereit. Die Männer lagen auf den heruntergeklappten Sesseln. Mulat, der zweite Pilot, war recht niedergeschlagen von seiner Braut zurückgekehrt, und auch der Sanitäter hatte sich eingefunden. Der Lautsprecher krächzte, blökte, der Zeiger kroch auf Null – Start.
    Pirx war sich darüber im klaren, daß ein Neunzehntau-sendtonnenschiff etwas anderes war als ein kleines Patrouillenboot, in das man gerade so hineinpaßte. Ein Raumschiff ist kein Floh, es springt nicht, der nötige Schub will erst einmal herausgeholt werden. Pirx wußte das, aber was nun folgte, übertraf seine Befürchtungen. Die Zeiger standen schon auf halber Kraft, der Rumpf bebte von den Heckdüsen bis zur Spitze, als wollte er bersten – und dabei hatte sich der »Blaue Stern« noch nicht einmal vom Boden erhoben! Vielleicht liegen wir irgendwie fest, dachte Pirx. So etwas soll ja alle hundert Jahre einmal vorkommen. Plötzlich zuckte der Zeiger vor – sie »standen« auf der Feuersäule, der Rumpf zitterte, die Nadel des Schweremessers tanzte wie toll. Pirx lehnte sich zurück, entspannte die Muskeln. Von nun an konnte er nichts mehr tun, selbst wenn er gewollt hätte.
    Der »Blaue Stern« schoß hoch. Pirx handelte sich eine Funkwarnung ein. Starts mit vollem Schub waren verboten wegen zu

Weitere Kostenlose Bücher