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 Pilot Pirx

Pilot Pirx

Titel: Pilot Pirx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Hand, er wußte gar nicht mehr, was er da unterschrieb.
    Um elf, eine Stunde vor dem Start, geschah es. Die Flughafenbehörde erlaubte den Start nicht – das Düsensystem sei zu alt, der radioaktive Niederschlag zu gefährlich, überdies habe das Raumschiff keinen Borwasserstoffhilfsantrieb wie der »Gigant«, der um sechs gestartet war; Pirx, schon heiser vom vielen Schreien, reagierte ganz ruhig. Ob sich der Flugdienstleiter darüber im klaren sei, was er da sage? Ob er den »Blauen Stern« erst jetzt bemerkt habe? Daraus könnten sich große, sehr große Unannehmlichkeiten ergeben. Zusätzlicher Schutz? Welcher Art? Sandsäcke – wie viele? Dreitausend Stück, Bagatelle! Bitte sehr, er würde auch unter diesen Umständen pünktlich starten. Die Kosten zu Lasten der Compagnie? Mochten sie?
    Er schwitzte. Alles schien sich verschworen zu haben, einzig und allein, um das Chaos noch zu vergrößern. Der Elektriker machte dem Mechaniker Vorwürfe und behauptete, er habe die Notleitung nicht überprüft, der zweite Pilot war »für fünf Minuten« irgendwohin verschwunden, es hieß, er nehme Abschied von seiner Braut, auch der Sanitäter war fort. Vierzig gepanzerte Mammute umringten das Schiff, Männer in schwarzen Monteuranzügen stapelten hastig Sandsäcke – das hektische Lichtsignal am Turm trieb sie zur Eile –, ein Funkspruch war gekommen, aber anstelle des Piloten hatte ihn der Elektriker entgegengenommen und versäumt, ihn einzutragen: »Das ist nicht meine Sache!«
    Pirx brummte der Schädel. Er täuschte nur noch vor, über den Dingen zu stehen. Zwanzig Minuten vor dem Start faßte er einen riskanten Entschluß – er ließ das gesamte Wasser von der Spitze ins Heck umpumpen. Mag geschehen, was will, dachte er. Schlimmstenfalls wird es sieden ... Hauptsache, die Standfestigkeit erhöht sich!
    Elf Uhr vierzig – Motorenprobe. Nun gab es kein Zurück mehr. Pirx’ Vermutung, daß die Männer nichts taugten, erwies sich als übereilt. An Boman fand er sogar Gefallen. Man sah und hörte ihn nicht, dennoch lief alles wie am Schnürchen. Düsengebläse, kleiner Schub, voller Schub – sechs Minuten vor Null, als die Flughafenbehörde »Zum Start« kommandierte, war alles bereit. Die Männer lagen auf den heruntergeklappten Sesseln. Mulat, der zweite Pilot, war recht niedergeschlagen von seiner Braut zurückgekehrt, und auch der Sanitäter hatte sich eingefunden. Der Lautsprecher krächzte, blökte, der Zeiger kroch auf Null – Start.
    Pirx war sich darüber im klaren, daß ein Neunzehntau-sendtonnenschiff etwas anderes war als ein kleines Patrouillenboot, in das man gerade so hineinpaßte. Ein Raumschiff ist kein Floh, es springt nicht, der nötige Schub will erst einmal herausgeholt werden. Pirx wußte das, aber was nun folgte, übertraf seine Befürchtungen. Die Zeiger standen schon auf halber Kraft, der Rumpf bebte von den Heckdüsen bis zur Spitze, als wollte er bersten – und dabei hatte sich der »Blaue Stern« noch nicht einmal vom Boden erhoben! Vielleicht liegen wir irgendwie fest, dachte Pirx. So etwas soll ja alle hundert Jahre einmal vorkommen. Plötzlich zuckte der Zeiger vor – sie »standen« auf der Feuersäule, der Rumpf zitterte, die Nadel des Schweremessers tanzte wie toll. Pirx lehnte sich zurück, entspannte die Muskeln. Von nun an konnte er nichts mehr tun, selbst wenn er gewollt hätte.
    Der »Blaue Stern« schoß hoch. Pirx handelte sich eine Funkwarnung ein. Starts mit vollem Schub waren verboten wegen zu hoher Radioaktivität. Die Gesellschaft wird Strafe zahlen müssen, sagte er sich. Sehr gut, soll sie doch, hol sie der Teufel ... Er schnitt eine Grimasse. Ich könnte mich mit der Hafenbehörde auseinandersetzen, könnte darauf hinweisen, daß ich nur mit halber Kraft gestartet bin – aber wozu? Soll ich vielleicht landen, eine Kommission einberufen und eine protokollarische Abschrift der Notierungen in den Uranographen verlangen?
    Pirx hatte andere Sorgen, ihn beschäftigte das Durchstoßen der Atmosphäre. Er hatte noch nie in seinem Leben in einem Raumschiff gesessen, das so zitterte. Etwas Ähnliches mochten wohl nur die Menschen im Kopfteil eines mittelalterlichen Sturmbocks empfunden haben, wenn sie Mauern zum Einsturz brachten. Alles hüpfte auf und nieder, die Männer wurden in den Gurten hin und her gerissen – die Seele drohte ihnen aus dem Leib zu springen. Der Schweremesser schien sich nicht entscheiden zu können, mal zeigte er 3,8 an, mal 4,9, dann kroch er

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