Pilot Pirx
Schrank mit den Landkarten hingen Apparate – ein Hygrometer, ein Geigerzähler, ein Gerät zum Messen von Wasserstoffdioxyd ... Er nahm sie der Reihe nach in die Hand, fand aber keine Aufschriften. Sie schienen übrigens neu zu sein.
Dort, in der Ecke!
An einer Eichenplatte leuchtete das Zifferblatt eines Radiographen. Es war ein altes Gerät mit Messingverzierungen – solche Modelle wurden nicht mehr hergestellt. Er löste rasch die Schrauben, zog vorsichtig mit den Fingerspitzen an der Einfassung und drehte den Metallbehälter um. Da stand es geschrieben, eingraviert in den golden schimmernden Messingboden: KORIOLAN.
Das war das Schiff!
Er schaute sich in der Kabine um. Hier also, in diesem Sessel, hatte seinerzeit der berühmte Momssen gesessen – bis zum letzten Augenblick!
Er klappte das Lloydregister auf und suchte unter »K«. KRONE DES SÜDENS, KORSAR, KORIOLAN: Ein Schiff der Compagnie ... 19 000 Tonnen ruhende Masse ... vom Stapel gelaufen im Jahre ... Uran-Wasserstoff-Reaktor, System ... Kühlung ... Zugkraft ... maximale Reichweite ... eingeführt auf der Linie Terra-Mars, verlorengegangen infolge Kollision mit dem Strom der Leoniden ... nach sechzehn Jahren von einem Patrouillenschiff im Aphel der Umlaufbahn ... wiedergefunden, nach Überholung I. Kategorie bei Ampers-Hart durch die Compagnie des Südens auf der Linie Terra-Mars eingesetzt ... Kleinguttransport ... Versicherungstarif ... Nein, das nicht ... aber hier: ... unter dem Namen »Blauer Stern«.
Pirx schloß die Augen. Wie still es ist ... Sie haben also den Namen geändert ... Sie wollten bei der Anheuerung einer neuen Besatzung keine Schwierigkeiten haben ... Deshalb hatte der Agent ...
Ihm fiel ein, was man sich in der Basis über den Fall erzählte. Es war ja ihr Patrouillenschiff gewesen, das das Wrack entdeckt hatte ... Die Meteoritenwarnungen kamen damals immer viel zu spät. Das Protokoll der Katastrophenkommission war lakonisch abgefaßt: »Höhere Gewalt ... Keine Schuldigen.« Und die Besatzung? Man fand Spuren, die darauf hindeuteten, daß nicht alle sogleich umgekommen waren. Zu denen, die am Leben blieben, gehörte der Kommandant. Die Männer waren durch die Trümmer der zerstörten Decks voneinander getrennt worden, aber Momssen brachte es zuwege, daß keiner seelisch zusammenbrach, obwohl ihnen keine Hoffnung auf Rettung blieb. Sie lebten bis zur letzten Sauerstoffflasche, bis zum bitteren Ende. Und dann gab es noch etwas Eigenartiges, eine makabre Einzelheit, die wochenlang durch die Presse geisterte, bis eine neue Sensation alles in Vergessenheit geraten ließ – was war es nur?
Pirx sah sich im Geiste wieder in dem modernen Hörsaal ... Sein Kamerad Smiga, über und über mit Kreide beschmiert, stand an der Tafel und quälte sich mit Modellzeichnungen herum, und er, Pirx, las heimlich die Zeitung, die er auf dem Boden des Schubfaches ausgebreitet hatte: »Wer ist imstande, den Tod zu überleben? Nur ein Toter!« Ja, natürlich – das war’s! Ein einziger war bei der Katastrophe unversehrt geblieben, einer, der weder Sauerstoff noch Lebensmittel brauchte – der Roboter! Sechzehn Jahre lang hatte er unter Trümmern gelegen!
Pirx erhob sich. Terminus! dachte er. Bestimmt, ganz bestimmt ... Er hatte ihn an Bord. Er könnte es wagen, ihn zu fragen ...
Unsinn! Ein mechanischer Schwachkopf, eine Maschine zum Abdichten von Lecks, blind und taub vor Alter! Lediglich die Presse, in ihrem ewigen Bemühen, aus jedem Ereignis ein Maximum an Sensation herauszuziehen, hatte ihn mit marktschreierischen Schlagzeilen zum geheimnisvollen Zeugen der Tragödie erklärt und behauptet, er sei von einer Kommission hinter verschlossenen Türen vernommen worden. Pirx dachte an das stumpfsinnige Krächzen des Automaten. Unsinn, ganz offensichtlicher Unsinn!
Er klappte das Logbuch zu, warf es in die Schublade und sah auf die Uhr.
Punkt acht, höchste Zeit! Alles war zum Start bereit – Luken geschlossen, Hafenkontrolle und sanitäre Überprüfung beendet, Zollerklärungen avisiert. Pirx suchte die Frachtpapiere zusammen, er überflog das Warenzertifikat und wunderte sich, daß ihm keine genaue Liste vorlag. Maschinen? Schön und gut, aber was für welche? Und welches Taragewicht? Weshalb fehlt das Diagramm der Ladung mit dargestelltem Schweremittel? Nichts – nur das Bruttogewicht und das Schema der Verteilung auf die Laderäume. Im Heck sind kaum dreihundert Tonnen verstaut – wieso? Soll das Schiff mit verminderter Last fliegen?
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