Pinocchio - Erst ich ein Stueck, dann du
aus altem Brot und so zog Pinocchio ohne Umschweife seine Fibel hervor und bot sie zum Kauf an. Ein fremder Mann, der gerade vorbeikam, gab ihm zwanzig Pfennig dafür. Überglücklich kaufte Pinocchio sich eine Eintrittskarte und drängte sich zwischen den anderen Zuschauern hindurch direkt bis zur Bühne. Er staunte nicht schlecht, als er sah, dass die Künstler, die dort probten, ebensolche Holzpuppen waren wie er – mit dem Unterschied jedoch, dass sie nicht wirklich frei waren, sondern von langen Schnüren geführt wurden.
Mit einem Satz sprang Pinocchio
auf die Bühne und umarmte
seine Brüder und Schwestern.
Dann ertönte eine Fanfare
und das Puppenspiel begann.
Pinocchio suchte sich einen Platz neben der Bühne und verfolgte das lustige Spiel aufmerksam. Besonders gut gefiel ihm der Harlekin.
Als das Stück zu Ende war und die Zuschauer applaudierten, kletterte Pinocchio auf die Bühne zurück und fing wie wild an zu hopsen und zu tanzen. Die Zuschauer lachten und applaudierten noch lauter.
„Juhuuu! Ich werde Künstler!“, johlte Pinocchio. „Ich werde reich und berühmt.“
Er war ganz wirr im Kopf vor Glück darüber, dass er nun doch nicht mehr zur Schule musste, sondern als Künstler ganz einfach sein Geld verdienen konnte, und merkte nicht, wie sich einer der Puppenspieler langsam näherte.
„Schnappt ihn euch und werft diesen Holzkopf ins Feuer!“, hörte Pinocchio eine tiefe Stimme rufen. „Es muss neu angefacht werden, damit mein Hammel auch gut durchbrät.“
Im nächsten Augenblick wurde Pinocchio von zwei hölzernen Polizisten ergriffen.
„Nein, bitte nicht“, flehte Pinocchio.
Er zappelte und wimmerte und jaulte,
dass der Puppenspieler sich
die Ohren zuhalten musste.
„Na gut“, sagte er.
„Denn nehme ich eben
eine andere Puppe.“
Er packte den Harlekin
und hielt ihn über das Feuer.
„Nein, oh nein!“, rief Pinocchio entsetzt. Wenn er mitansehen musste, wie einer seiner Brüder verbrannte, würde es ihm das Herz brechen.
„Dann nimm lieber doch mich, nicht den Harlekin“, flehte er.
Der Puppenspieler sah Pinocchio erstaunt an.
„Na, so etwas“, murmelte er und strich sich kopfschüttelnd über den langen schwarzen Bart, der bis zum Boden reichte.
„Dann werde ich meinen Braten heute wohl halb roh verspeisen müssen.“ Er nahm fünf Goldmünzen aus einem Lederbeutel, legte sie Pinocchio in die Hand und sagte: „So viel Mut will ich gerne belohnen.“
Fassungslos über das Glück, das ihm gerade zuteilgeworden war, machte Pinocchio sich auf den Heimweg. Die Schule war vergessen, er dachte nur noch daran, was Geppetto von dem schönen Geld alles kaufen konnte. Nicht nur eine neue Jacke – o nein, ganz bestimmt würde er sich nun außer dem frischen
Bäckerbrot auch endlich einmal eine dicke Wurst und ein schönes Stück Butter und Käse leisten können. Pinocchio war ganz in seine Träume versunken, als er plötzlich angesprochen wurde.
„Hallo, Pinocchio!“
Vor ihm standen ein Fuchs,
der sein Hinterbein nachzog,
und eine Katze mit einer Binde
über dem linken Auge.
„Ihr kennt mich?“,
rief Pinocchio verwundert.
„Aber ja!“, sagte der Fuchs.
„Du wohnst doch bei unserem guten alten Geppetto. Gerade eben erst ist er uns begegnet. Er rannte zitternd vor Kälte durch die Gassen, um dich von der Schule abzuholen.“
O je! Auf der Stelle bekam Pinocchio ein schlechtes Gewissen. Die Sache mit der Schule war nun nicht mehr zu retten, aber gegen die Kälte wollte er sogleich etwas tun. Eifrig erzählte er dem Fuchs und der Katze, dass er seinem Vater eine schöne warme Jacke kaufen wolle. Stolz zeigte er ihnen seine Goldmünzen.
Der Fuchs und die Katze sahen einander verstohlen an.
„Möchtest du vielleicht aus fünf Münzen fünftausend machen?“, fragte die Katze listig.
„Natürlich möchte ich das“, rief Pinocchio. „Aber wie soll das gehen? Außerdem habe ich nicht viel Zeit.“ Wieder warfen der Fuchs und die Katze sich einen Blick zu.
„Och, ein gutes Stündchen sollte genügen“, meinte der Fuchs schließlich. „Du musst nur mit uns kommen. “ Er hakte sich bei der Katze unter und die beiden schlurften los.
Pinocchio folgte ihnen zögernd. „Wo gehen wir hin?“, fragte er und etwas später: „Wie weit ist es denn noch?“
„Wir sind gleich da“, erwiderte die Katze und kurz darauf erreichten sie ein Dorf.
„Das ist Dummhausen“, sagte der Fuchs und zeigte auf einen Wald, der sich in der Ferne auftat.
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