Pippi Langstrumpf
kämmte sich mit einem nassen Kamm, damit das Haar richtig glatt lag. Er wollte ja beileibe keine Locken haben! Dann wollte Annika ihr bestes Kleid anziehen, aber da sagte die Mutter, sie sollte das lieber nicht tun, denn Annika war selten richtig sauber und ordentlich, wenn sie von Pippi kam. So mußte Annika sich mit ihrem zweitbesten Kleid begnügen. Thomas lag nicht so viel daran, was er für einen Anzug anhatte, wenn er nur einigermaßen nett aussah.
Sie hatten natürlich ein Geschenk für Pippi gekauft. Sie hatten aus ihren eigenen Sparbüchsen Geld genommen, und auf dem Heimweg von der Schule waren sie in einen
Spielwarenladen gegangen und hatten eine sehr feine …
gekauft – ja, was das war, soll vorläufig ein Geheimnis bleiben.
Das Geschenk war in grünes Papier eingepackt und gut verschnürt, und als Thomas und Annika fertig waren, nahm Thomas das Paket, und sie trabten davon, begleitet von den Ermahnungen ihrer Mutter, sich ja mit ihren Sachen in acht zu nehmen.
Annika trug das Paket auch eine Weile, und sie vereinbarten, daß sie es beide halten sollten, wenn sie es überreichten.
Es war im November, und es dämmerte schon früh. Als Thomas und Annika durch die Gartentür der Villa Kunterbunt gingen, hielten sie sich fest an den Händen, denn es war ganz schön dunkel in Pippis Garten, und die alten Bäume, die gerade die letzten Blätter verloren, rauschten so düster.
„Herbstlich“, sagte Thomas.
Um so schöner war es, alle die erleuchteten Fenster in der Villa Kunterbunt zu sehen und zu wissen, daß dort Geburtstagsfeier sein sollte.
Sonst gingen Thomas und Annika gewöhnlich durch den Kücheneingang, aber heute gingen sie durch den
Haupteingang. Das Pferd war nicht auf der Veranda zu sehen.
Thomas klopfte höflich an die Tür. Drinnen hörte man eine 92
dumpfe Stimme murmeln:
„Wer kommt da in der dunklen Nacht
gegangen in mein Haus?
Ist es ein Geist, oder ist es bloß
eine arme kleine Maus?“
„Nein, Pippi, das sind wir“, schrie Annika. „Mach auf!“
Da machte Pippi die Tür auf.
„O Pippi, warum hast du das von dem Geist gesagt, ich habe solche Angst bekommen“, sagte Annika und vergaß ganz, Pippi zu gratulieren.
Pippi lachte herzlich und machte die Tür zur Küche auf. Oh, wie schön das war, wieder ins Licht und in die Wärme zu kommen!
Die Geburtstagsfeier sollte in der Küche vor sich gehen, denn da war es am gemütlichsten. Es waren ja nur zwei Zimmer im Erdgeschoß. Das eine war das Wohnzimmer, und darin war nur ein Möbelstück, und das andere war Pippis Schlafzimmer.
Aber die Küche war groß und geräumig, und Pippi hatte es da richtig fein und ordentlich gemacht. Auf den Fußboden hatte sie Teppiche gelegt, und auf dem Tisch lag ein neues Tuch, das Pippi genäht hatte. Die Blumen, die sie darauf gestickt hatte, sahen allerdings sehr merkwürdig aus, aber Pippi behauptete, daß solche Blumen in Hinterindien wüchsen, und so war ja alles in bester Ordnung. Die Gardinen waren zugezogen, und im Herd brannte ein Feuer, daß es knisterte.
Auf dem Holzkasten saß Herr Nilsson und schlug zwei Topfdeckel gegeneinander, und in einer Ecke stand das Pferd.
Es war natürlich auch zur Geburtstagsfeier eingeladen.
Jetzt fiel es endlich Thomas und Annika ein, Pippi zu gratulieren. Thomas verbeugte sich, und Annika machte einen Knicks, und sie überreichten das grüne Paket und sagten:
„Wir gratulieren!“
Pippi dankte und riß eifrig das Paket auf. Und da lag eine Spieldose darin! Pippi war ganz wild vor Begeisterung. Sie 93
streichelte Thomas, und sie streichelte Annika, und sie streichelte die Spieldose, und sie streichelte das Einschlagpapier. Dann drehte sie an der Spieldose, und mit vielem Kling-Klang kam eine Melodie heraus, die wohl „Ach du lieber Augustin“ vorstellen sollte.
Pippi drehte und drehte und schien alles andere vergessen zu haben. Aber plötzlich fiel ihr etwas ein:
„Liebe Kinder, ihr sollt ja auch eure Geburtstagsgeschenke haben“, sagte sie.
„Ja, aber – wir haben ja gar nicht Geburtstag“, sagten Thomas und Annika.
Pippi sah sie erstaunt an.
„Nein, aber ich hab’ Geburtstag, und da kann ich euch ja wohl auch Geschenke machen! Oder steht das irgendwo in euren Schulbüchern, daß man das nicht kann? Hat das was mit Plutimikation zu tun, weshalb es nicht geht?“
„Nein, das ist klar, daß es geht“, sagte Thomas. „Obwohl es nicht üblich ist. Aber ich für meinen Teil will gern ein Geschenk haben.“
„Ich
Weitere Kostenlose Bücher