Pippi Langstrumpf
Dachstube hinein.
„Warm ist es hier“, sagte sie. „Hier braucht ihr kein Feuer mehr anzumachen, das garantiere ich. Und morgen höchstens vier Stücke Holz in den Ofen. Das reicht.“
Dann nahm sie auf jeden Arm einen Jungen und kletterte wieder auf das Brett.
„Jetzt sollt ihr endlich mal ein bißchen Spaß haben“, sagte sie. „Das ist beinahe so wie auf dem Seil gehen.“
Und als sie in der Mitte des Brettes war, hob sie das eine Bein hoch, genau wie sie es im Zirkus gemacht hatte. Da ging es wie ein Sausen durch die Volksmenge unten auf dem Marktplatz, und als Pippi gleich danach ihren einen Schuh verlor, fielen einige ältere Damen in Ohnmacht. Aber Pippi kam glücklich und wohlbehalten mit den beiden Jungen zu dem Baum hinüber, und da schrien alle Menschen unten:
„Hurra!“, so daß es in den dunklen Abend hinein brauste und das Rauschen des Feuers übertönte.
Jetzt holte Pippi das Seil heran und band das eine Ende an einem Ast fest. Dann band sie den einen der Jungen an das andere Ende des Seiles und ließ ihn langsam und vorsichtig zu der überglücklichen Mutter hinunter, die auf dem Platz stand.
Sie warf sich sofort über ihren Jungen und drückte ihn mit Tränen in den Augen an sich.
Aber Pippi schrie: „Macht das Seil los! Hier ist noch ein Junge, und fliegen kann er ja nicht!“
Und die Menschen halfen, den Knoten aufzubinden, so daß der Junge frei wurde. Pippi konnte ordentliche Knoten machen!
Das hatte sie auf See gelernt.
Sie holte sich wieder das Seil heran, und jetzt war der andere Junge an der Reihe, hinabgelassen zu werden.
Nun war Pippi allein oben im Baum. Sie lief auf das Brett, 89
und alle Menschen schauten zu ihr hinauf und waren gespannt, was sie tun wollte. Pippi tanzte auf dem schmalen Brett hin und her. Sie hob und senkte die Arme so schön und sang mit heiserer Stimme, die man unten auf dem Marktplatz kaum hören konnte:
Es brennt ein Feuer,
das brennt so hell,
es brennt in tausend Kränzen.
Es brennt für dich
und brennt für mich
und brennt zu unseren Tänzen!
Je weiter sie sang, desto wilder tanzte sie, und viele Menschen auf dem Marktplatz schlossen vor Schreck die Augen, weil sie glaubten, daß Pippi herunterfallen würde. Aus dem Fenster der Dachstube schlugen große Flammen, und in ihrem Feuerschein konnten sie Pippi ganz deutlich sehen. Sie hob die Arme gegen den Abendhimmel, und während ein Funkenregen über sie fiel, schrie sie laut:
„So ein lustiges, lustiges, lustiges Feuer!“
Jetzt machte sie einen Sprung zum Seil hin.
„Hei!“ schrie sie und sauste wie ein Blitz zur Erde hinunter.
„Ein vierfaches Hurra für Pippi Langstrumpf! Sie soll leben!“
schrie der Feuerwehrhauptmann.
„Hurra, hurra, hurra, hurra!“ schrien alle Menschen. Aber jemand schrie fünfmal. Das war Pippi.
90
Pippi feiert Geburtstag
Eines Tages fanden Thomas und Annika einen Brief in ihrem Briefkasten. „An Thmas un Anika“ stand darauf. Und als sie ihn aufgemacht hatten, fanden sie eine Karte, auf der stand:
„Thmas un Anika solen zu Pippi sur Gebutsfeier komen morgen nahmidag. Ansug: was ir wolt.“
Thomas und Annika freuten sich so, daß sie anfingen, zu springen und zu tanzen. Sie verstanden sehr gut, was auf der Karte stand, wenn es auch etwas merkwürdig geschrieben war.
Pippi hatte schreckliche Mühe gehabt mit dem Schreiben.
Wenn sie auch damals in der Schule das „i“ nicht gekannt hatte
– Tatsache war, daß sie jedenfalls ein wenig schreiben konnte.
Zu der Zeit, als sie noch zur See gefahren war, hatte sie manchmal abends mit einem Matrosen auf dem Hinterdeck des Schiffes gesessen und versucht, schreiben zu lernen.
Leider war Pippi kein besonders ausdauernder Lehrjunge.
Mittendrin konnte sie plötzlich sagen: „Nein, Fridolf (der Matrose hieß Fridolf), nein, jetzt pfeifen wir drauf. Jetzt klettere ich auf die Mastspitze und sehe nach, was morgen für Wetter wird.“
Deshalb war es kein Wunder, daß es mit dem Schreiben nicht so besonders gut ging. Sie saß eine ganze Nacht und quälte sich mit der Einladungskarte ab, und gegen Morgen, als gerade die Sterne über dem Dach der Villa Kunterbunt verblichen, schlich sie sich zu Thomas’ und Annikas Villa hinüber und steckte den Brief in den Kasten.
Sobald Thomas und Annika aus der Schule kamen, fingen sie an, sich fein zu machen.
Annika bat ihre Mutter, ihr das Haar zu kräuseln. Das tat ihre 91
Mutter, und dann band sie ihr ein großes rosa Seidenband ins Haar. Thomas
Weitere Kostenlose Bücher