Pirat des Herzens
Gespräch hing ihre Zukunft ab. Katherine durfte nicht verlieren.
Ein Leben hinter Klostermauern konnte und durfte nicht ihr Schicksal sein. Sie mußte um ihre Freiheit kämpfen.
Die Äbtissin machte ein bekümmertes Gesicht. »Du willst also in deine Heimat zurück?« seufzte sie.
Katherine stand aufgeregt vor dem eleganten Mahagonischreibtisch. »Ich kann nicht bleiben. Ich bin für das Klosterleben nicht geschaffen. Ich muß heim und meinen Vater an seine Pflichten erinnern. Er wird eine Heirat für mich arrangieren.« Ihr Blick flehte die Äbtissin an. »Mutter Oberin, ich wollte immer einen Ehemann, ein Heim und viele Kinder. Ich bin schon achtzehn. Und in ein paar Jahren dreht sich kein Mann mehr nach mir um.«
Das bezweifelte die Äbtissin zwar, denn Katherine war trotz ihres hohen Wuchses von ausnehmender Schönheit. Ihre Haut schimmerte makellos wie Elfenbein, ihre Augen leuchteten grün, ihr ovales, feingeschnittenes Gesicht war von rotem Haar, wie Weinlaub im Herbst, gerahmt. Die Äbtissin war sehr besorgt. »Seit du als dreizehnjähriger Wildfang zu uns kamst, weiß ich, daß du für dieses Leben nicht geschaffen bist. Und ich zweifle nicht daran, daß du eine gute Ehefrau sein wirst. Du wirst viele gesunde Söhne zur Welt bringen. Aber du verlangst Unmögliches von mir. Ich kann dich nicht ohne die Erlaubnis deines Vaters gehen lassen!« Schuldgefühle nagten an ihr. Sie wußte, daß Katherine die Erlaubnis ihres Vaters nie erhalten würde. Sie wußte auch, was Katherine in der Heimat erwartete.
Das junge Mädchen befeuchtete die Lippen. »Bitte versteht mich nicht falsch«, sagte sie mit gepreßter Stimme. »Ich bin Euch zutiefst dankbar, daß Ihr mich aufgenommen habt. Ihr wart immer gut zu mir.« Hastig fuhr sie fort: »Ich muß noch aus einem anderen Grund nach Irland zurück. Ich fürchte, es ist ein Unglück geschehen. Mein Vater würde nicht vergessen, für meinen Unterhalt zu bezahlen. Es paßt nicht zu ihm. Ich flehe Euch an, ehrwürdige Mutter, laßt mich reisen, damit ich herausfinden kann, was geschehen ist. Vielleicht braucht mein Vater mich.«
Mitleid für ihren Schützling krampfte das Herz der frommen Frau zusammen. »Hätte dein Vater dich gebraucht«, entgegnete sie sanft, »hätte er dich längst nach Hause geholt.«
Tief besorgt und ratlos ließ die Äbtissin den Rosenkranz durch die Finger gleiten. Jetzt wäre der ideale Zeitpunkt, dem Mädchen die Wahrheit zu sagen, doch sie hatte versprochen, Schweigen zu bewahren. Sie durfte Katherine nicht verarmt und schutzlos in ein feindliches Leben schicken. Es war nicht richtig, dem Mädchen die Tatsachen zu verschweigen, dennoch wagte die Äbtissin nicht, Katherine die Wahrheit zu gestehen. Angst hielt sie zurück und eine Ahnung, daß die Macht des Schicksals im Spiel war.
»Ich flehe Euch an, laßt mich gehen! Wenn ich einmal daheim bin, wird sich alles zum Guten wenden. Ich kann mit Juliet reisen. Es gab nie eine günstigere Gelegenheit.«
Die Äbtissin blickte ihrem Schützling lange in die Augen. »Den anderen Damen in meiner Obhut würde ich raten, ihr Schicksal in Gottes Hände zu legen«, entgegnete sie zögernd. »Und sie würden meinen Rat befolgen. Du bist anders.«
»Ich kann Euch nicht gehorchen«, antwortete Katherine leise. »Auch nicht, wenn Ihr mir befehlt zu bleiben.«
Die Äbtissin faßte einen Entschluß. Nicht weil Katherine so viele Jahre unglücklich war, nicht weil es sie schmerzte, eine ihrer Stiftsdamen traurig zu sehen. Der Grund lag auch nicht darin, daß eine Frau wie Katherine ein weltliches Leben führen wollte. Aber sie durchschaute Katherines Absichten genau. Die Äbtissin kannte ihren Schützling zu gut. Würde sie ihr verbieten zu gehen, würde Katherine fliehen. Und dieser Gedanke versetzte die fromme Frau in Angst. Würde Katherine allein und ungeschützt reisen, wäre sie furchtbaren Gefahren ausgesetzt, würde vielleicht in den Harem eines türkischen Sultans verschleppt. Die beiden Frauen sahen einander lange an. Katherine würde ein Nein nicht akzeptieren.
Die Äbtissin seufzte. »Ich gestatte dir zu reisen, Katherine. Aber ich warne dich. Die Welt dort draußen ist nicht so, wie du sie dir vorstellst. Vielleicht erwartet dich in deiner Heimat eine furchtbare Enttäuschung. Möglicherweise schickt dein Vater dich zurück.«
»O ehrwürdige Mutter, ich danke Euch!« Katherine strahlte vor Glück, achtete nicht auf die kaum verhohlene Warnung. »Er schickt mich nicht zurück, das weiß
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