Pirat des Herzens
siebzehn, muskelbepackt, breitschultrig. Kräftiges, goldblondes Haar umrahmte das schönste Männergesicht, das die Königin je gesehen hatte. Ihr Puls beschleunigte sich. Irgendwie kam er ihr bekannt vor. Sie blickte in kalte, graue Augen und fröstelte.
Er beugte ein Knie. »Eure Majestät, wenn Ihr gestattet, übersetze ich die Worte des O’Neill.«
Elisabeth straffte die Schultern und bedachte den Jüngling mit einem hochmütigen Blick. »Wir nehmen an, Ihr sprecht vom Grafen von Tyrone, Sir.«
Der kühle Blick des Jünglings hielt dem ihren stand. Er schwieg.
O’Neill war gekommen, um sich der Krone zu unterwerfen. Das Schweigen des Jünglings gab ihr allerdings deutlich zu verstehen, daß ihr ein erbitterter Zweikampf bevorstand, ein Zweikampf, wer den stärkeren Willen besaß. Ein Schauer jagte ihr den Rücken hinunter, weniger wegen O’Neill, sondern wegen des seltsamen jungen Mannes. »Was haltet Ihr davon, Euch vorzustellen?«
Er erhob sich und neigte den Kopf. »Liam O’Neill.«
Elisabeths Gedanken rasten. »Doch nicht... Mary Stanleys Sohn - der Sohn des O’Neill?« Vor Schreck war ihr der verbotene gälische Titel entschlüpft.
Der Jüngling lächelte spöttisch: »Genau der.«
Sie holte hörbar Atem. Sie kannte Liam seit seiner Geburt. Mary Stanley war mit ihrem Gemahl, einem Hofbeamten, unterwegs nach Irland, als ihr Schiff von Piraten überfallen wurde. Sie wurde von O’Neill vergewaltigt und geschwängert, von Sir Stanley verstoßen und zu ihrer Familie nach London zurückgeschickt. Königin Catherine, die letzte Gemahlin Heinrichs VIII., nahm sie zu sich und ernannte Mary zur Hofdame. Bilder eines hübschen Kindes, das zu einem in sich gekehrten Knaben heranwuchs, schossen Elisabeth durch den Kopf. »Wie lange ist es her, daß Euer Vater Euch aus London wegholte?«
Wieder dieses spöttische Lächeln. »Sieben Jahre.« Seine Stimme war leise, seine Augen begannen zu glänzen. »Wie geht es Euch, Bess?«
Aus dem Augenwinkel sah die Königin, wie Dudley erstarrte, seine Hand den Schwertgriff fester umklammerte. Sie berührte Dudleys Arm. »Der Knabe ist zum Jüngling geworden«, entgegnete sie spitz, »ein dreister Jüngling, wie mir scheint.«
Der junge Ire verneigte sich kühl.
»Tut Eure Arbeit!« schnarrte die Königin, wütend auf ihn, seinen mörderischen Vater, auf sich selbst.
»Shane O’Neill bittet um Vergebung«, antwortete Liam ohne Gefühlsregung. »Er ist der rechtmäßige Sohn von Bachach. Matthew hingegen wurde von einem Schlosser gezeugt, der mit einem Weib namens Alison verheiratet war und an allen schändlichen Verrat geübt hat. Matthew hatte kein Recht und keinen Anspruch auf die Nachfolge. Der Gerechtigkeit ist Genüge getan. Es gibt nur einen rechtmäßigen Erben und Nachfolger Irlands, und dieser rechtmäßige Erbe ist O’Neill.«
Schweigen lag über dem Saal. Elisabeth blickte auf den vor ihr liegenden Shane O’Neill, unschlüssig, wie sie ihn ansprechen sollte. Schließlich wandte sie sich an seinen furchtlosen Sohn. »Ist Matthew tot?« fragte sie, obschon sie die Antwort wußte. Shane O’Neill hatte ihn getötet.
Gerüchten zufolge waren mehrere Vettern von O’Neill unter seltsamen Umständen zu Tode gekommen. Es kursierten sogar Gerüchte, wonach er seinen eigenen Vater Bachach gefangengesetzt hatte, um den Titel des Häuptlings und die damit verbundenen Ländereien an sich zu reißen. Auch Bachach, hieß es, war mittlerweile gestorben.
»Ja«, antwortete der Sohn ohne weitere Erklärung.
Shane stand mit einem Ruck auf. Elisabeth wich nicht zurück. Sie mußte dem Barbaren Vergebung gewähren, wie es mit dem Kronrat vorher abgesprochen war. Wie aber in Gottes Namen sollte sie ihn ansprechen? Den englischen Titel eines Grafen würde er mit Sicherheit ablehnen. Und sie war sich gar nicht mehr so sicher, ob ihm dieser Titel zustand. Der Kerl war aufrührerisch und mehr als gefährlich. Sie aber mußte zu einem friedlichen Einvernehmen mit ihm kommen.
Dudley neigte sich ihr zu. »Ihr dürft ihn nicht als O’Neill ansprechen, ihn aber auch nicht beleidigen.«
Elisabeth hob das Kinn.
»Unseren Titel wird er nicht akzeptieren«, flüsterte Cecil von der anderen Seite, »wir müssen uns eine andere ehrenvolle Bezeichnung ausdenken, eine, die er für besonders vornehm hält.«
Elisabeth betrachtete die beiden Besucher durchdringend; den bärenhaften Vater, einen vielfachen Mörder und Frauenschänder, daneben seinen Sohn, einen schlanken, blonden
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