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Pitch (German Edition)

Pitch (German Edition)

Titel: Pitch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Weski
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hatte, doch gleichzeitig ging gerade seine eigene Ehe
in die Brüche, und während Ines ihm Gefühlskälte
vorwarf, empfand er es genau anders herum, er konnte seine Gefühle
ihr gegenüber nicht zeigen, weil sie seine Schwäche
verachtete, beide Empfindungen, der Trieb, seine Mutter zu schützen
einerseits und andererseits das Scheitern seiner Ehe an der
Verachtung, die seine Frau ihm entgegenbrachte, verhinderten eine
klare Stellungnahme, Philipp nahm die Mitteilung seines Vaters ohne
Empathie oder Verurteilung zur Kenntnis, die Verständigung, die
sein Vater angestrebt hatte, kam nicht zustande, und alles, wozu sich
Philipp hatte durchringen können, war ein Sichheraushalten
gewesen, er hatte den Vater nicht verurteilt und der Mutter nichts
gesagt, es war ihre Sache, was sie einander sagten oder nicht sagten
und es war seine Sache, was er ihnen von dem erzählte, was er
von einem von ihnen gehört hatte, jetzt stellte er fest, dass er
seinen Vater verstand, ohne dass er damit gegen seine Mutter Stellung
bezog, er stellte fest, dass auch sie ihm Leid tat, ohne dass er
seinen Vater deshalb verurteilen musste, die Zerrissenheit, die er
früher gespürt hatte, weil er für keinen von beiden
hatte Partei ergreifen können, war jetzt, plötzlich,
aufgehoben, sein Vater hatte sich für eine andere Frau
entschieden und war darüber gestorben, seine Mutter trauerte
nicht über seinen Tod, sondern freute sich auf ihr Leben, es
war, wie es war, und dass sie ihn mehr oder weniger enterbt hatte,
erleichterte ihn geradezu, er fühlte sich plötzlich frei,
und dieses Gefühl sagte ihm, dass nichts für unabänderlich
hingenommen werden musste, wenn alle Konflikte, die ihn sein Leben
lang belastet, wenn alle Blockaden, die ihn sein Leben lang
aufgehalten hatten, sich in Luft auflösen konnten, nicht so,
dass sie weg gewesen wären, aber so, dass man mit ihnen umgehen
konnte, dass man sie durchschauen und sogar mit ihnen leben konnte,
dann würde es ihm auch möglich sein, noch einmal neu
anzufangen, vielleicht nur für sich selbst, vielleicht auch ohne
Ines, vielleicht sogar ohne Robert Carlos, aber er würde es
schaffen, denn er will es noch einmal wissen, jetzt will er es
meistern, das Leben, nicht für seinen Vater, sondern für
sich, und dann wird ihm gelingen, was seinem Vater nie gelungen ist,
sich mit seinem Sohn zu verständigen, mit Robert Carlos, sei es
hier in Deutschland oder in Andalusien, so, mit sich selbst versöhnt
und versöhnlich gegenüber seinem Vater gestimmt, ergreift
er dessen kalte Hand und stutzt, auf dem kleinen Finger des Alten
steckt ein Ring, lose ist er über die zwei obersten Glieder
gestülpt, Philipp zieht ihn ab, rotgolden funkelt er im
gedämpften Licht der Intensivstation, geschwungen und s-förmig
liegt er auf seinem Handteller, Philipp fährt über die
Innenseiten, er fühlt die Gravur und hält den Ring ins
Licht, der Ehering seiner Eltern ist es nicht, den kennt er, er
entziffert das Datum, es ist nicht der Hochzeitstag seiner Eltern,
der Name seines Vaters ist eingraviert, dann wird ihm klar, was das
bedeutet, und dass sie, Inge, hier gewesen sein muss, kurz überlegt
er, dann steckt er den Ring ein.

100
Das
Kind …

    … liegt
auf dem Bauch der Mutter, gerade hat es getrunken, jetzt schlummert
es, ohne bereits tief zu schlafen, sein Atem ist an den der Mutter
angepasst, mit fünf kleinen Fingern klammert es sich an deren
Hand, in Ordnung war noch vor kurzem alles gewesen, als es umgeben
war vom Warmen, Flüssigen, als das Licht, der Klang, die
Bewegungen nur gedämpft zu ihm durchdrangen, plötzlich aber
hatte es ein schrecklichen Druck empfunden, und auf einmal war alles
anders geworden, das Grelle, das Laute, das Harte und Kalte war über
es gekommen, gegriffen war es worden, herausgerissen hatte man es,
und nichts, gar nichts mehr war wie zuvor, vorbei das blinde
Einverständnis mit der Umgebung, unwiederbringlich verloren das
schöne Leben im rundum Warmen, mühsam ist das Saugen nach
Milch, schale Erinnerung an unendlich viel schützendere
Geborgenheit im Verborgenen, noch nichts begreift es von den Formen
und Farben, von den Schemen und Schatten, die sich um es herum
bewegen, auch jetzt im angenehm Dunklen blitzt auf einmal wieder das
Grelle auf, die Tür öffnet sich, das Kind sieht keinen Mann
im gelben Anzug, es sieht keine verstrubbelten, flüchtig
trockengeriebene Haare, es sieht nicht seinen Vater, der es endlich
geschafft hat, zu Frau und Kind zu kommen, dem von der

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