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Piter - Wrotschek, S: Piter - Metro-Universum: Piter

Piter - Wrotschek, S: Piter - Metro-Universum: Piter

Titel: Piter - Wrotschek, S: Piter - Metro-Universum: Piter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schimun Wrotschek
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hörte Iwan Schritte und das Pochen der Krücke. Er beschloss, liegen zu bleiben. Was sich der Alte wohl diesmal wieder einfallen ließ? Iwan öffnete die Augen einen Spalt und atmete tiefer, als ob er schlief.
    Der Blinde beugte sich über ihn und horchte. »Macht sich’s hier einfach gemütlich«, brummte er.
    Dann hob er seine Krücke. Verdammt! Noch ehe Iwan reagieren konnte, bohrte sich schon ihr stumpfes Ende in seine gesunde Seite.
    Iwan sprang auf.
    »Was soll das?!«
    »Ich wecke dich, weil du in meinem Bett liegst«, erklärte der Blinde lapidar. »Das geht ja wohl nicht.«
    »Der Doktor hat gesagt, dass ich liegen soll!«
    »Tu das, aber verpiss dich gefälligst auf deine Matratze.« Der Alte grinste schadenfroh. »Die im Übrigen auch mir gehört.«
    Iwan musste lachen. Der schrullige Alte hatte einen gewissen Charme.
    »Okay, überredet«, lenkte Iwan ein. »Wo ist denn deine Matratze?«
    Das Stehen tat ihm überhaupt nicht gut. Schon fing das Zimmer wieder an, sich zu drehen.
    Noch ein, zwei Tage liegen, dann breche ich auf, dachte Iwan. Ich werde schon nicht gleich krepieren unterwegs.
    Nachts träumt Iwan wieder von dem Lazarett und dem Leutnant mit den eiskalten Augen. Abermals geht er im grellen Licht hinter dem Leutnant her, zwischen den Reihen der Feldbetten hindurch. Wieder glotzen die Verwundeten hasserfüllt oder wenden sich ab. Und wieder sieht er den Feuerblitz, als der Leutnant abdrückt und die Welt aus den Fugen gerät.
    Der Doktor fällt elend langsam. Iwan sieht die grauen Bartstoppeln an seinem Hals. Doch sein Gesicht hat sich verändert. Jetzt ist es der Militärarzt von der Station Ploschtschad Lenina . Lautlos öffnen die Krankenschwestern ihre Münder. Eine von ihnen ist Tanja. Die andere jenes Mädchen namens Illjusa. Selbst im Traum wundert sich Iwan über ihr Erscheinen.
    Illjusa schreit. Tanja schreit.
    Iwan legt dem Leutnant die Hand auf die Schulter.
    Schon im nächsten Augenblick ahnt er, dass er das lieber nicht hätte tun sollen. Der Leutnant dreht sich langsam um. Und dann – sieht Iwan sein Gesicht.
    Es ist Sasonow.
    »Hallo, Wanja«, sagt Sasonow vergnügt.
    Ein Feuerblitz. Iwan zuckt zusammen und spürt, wie ihm die Kugel zwischen die Rippen dringt. Hat er dort nicht eine Metallplatte? Iwan senkt den Kopf und sieht, wie das Blut aus dem Einschussloch quillt. Er hat mich erschossen, denkt er und beginnt, langsam umzufallen.
    Tanjas Gesicht entfernt sich.
    Das weiße Hochzeitskleid.
    Warum nur, Marjuschka, hast du dich nicht in den Fluss gestürzt …
    Iwan öffnete die Augen.
    Höchste Zeit, sich auf den Weg zu machen, dachte er. Ich habe schon genug Zeit verloren. Gesund werden kann ich auch unterwegs.
    Über ihm war die graue Decke mit dem Spalt zwischen den Platten.
    Der Blinde lebte im Verbindungstunnel zwischen den Stationen Ploschtschad Wosstanija und Tschernyschewskaja , in einem kleinen, verlassenen Bunker. Zu welchem Zweck man ihn ursprünglich errichtet hatte, erschloss sich Iwan nicht, doch er verfügte über zwei Räume (in einem davon stand das Telefon) und eine Art Lager, das man durch einen kleinen Gang erreichte. Dort war es dunkel und eng. An der Wand standen graue Blechschränke und ein Turm aus übereinandergestapelten Gerätekästen.
    Von der Decke des Bunkers hingen Lampen an Kabeln herab. Zwei davon funktionierten sogar. Doch an die schier unbegrenzte Verfügbarkeit von Strom hatte sich Iwan nach dem Aufenthalt an der Ploschtschad Wosstanija schon beinahe gewöhnt.
    Dem alten Mann brachte die Beleuchtung nichts. Iwan konnte also durchaus von Glück sagen, dass er nicht im Dunkeln saß.
    »Du willst gehen?«, fragte der Alte.
    »Ja, sobald ich wieder einigermaßen auf den Beinen bin.«
    »Deine Sache, du musst selbst wissen, was du tust. Hier, dein Pass.«
    »Ernsthaft?«
    Iwan nahm das abgegriffene Büchlein, das ihm der Blinde entgegenhielt, und öffnete es vorsichtig.
    Iwan Sergejewitsch Gorelow. Geburtsdatum: 01.11.2008. Geburtsort: Sankt Petersburg, Leningrader Gebiet.
    »Das ist nicht mein Pass«, sagte Iwan.
    Der Alte zuckte mit den Achseln. »Wem gehört er dann? Er lag neben dir, als ich dich gefunden habe.«
    Ob ihn einer der Zombel verloren hatte? Zufälle gibt’s. Jedenfalls genau zur rechten Zeit. Ohne Pass hatte man es zurzeit schwer in der Metro.
    »Und wie heißt du richtig?«
    »Iwan. Aber mit anderem Nachnamen.«
    »Passt doch.« Der Alte legte den Kopf in den Nacken, als wollte er die Decke betrachten. »Du musst dich nicht mal

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