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Platon in Bagdad

Platon in Bagdad

Titel: Platon in Bagdad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Freely
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in der Mitte, durch nichts gestützt, und verharrt in dieser Lage wegen des gleichmäßigen Abstandes aller Dinge …« Die Erde, so behauptete er, verbleibe fest in der Mitte, weil sie keinen Grundhat, sich in die eine oder andere Richtung zu bewegen – dieses Argument ist als das Prinzip »des hinreichenden Grundes« bekannt. Anaximanders Anwendung dieses Prinzips markiert die Grenze zwischen Mythologie und Naturwissenschaft, die ja immer eine Erklärung für einen hinreichenden Grund erfordert.
    Anaximander beschäftigte sich auch mit dem Ursprung tierischen und menschlichen Lebens, und Plutarch zufolge vertrat er eine Art Evolutionstheorie: »Er behauptet ferner, ganz zu Anfang sei der Mensch aus andersgestalteten Lebewesen hervorgegangen, und zwar aus dem Gedanken heraus, daß die übrigen bald aus eigener Kraft Nahrung fänden, allein der Mensch bedürfe langdauernder Pflege; daher hätte er sich auch zu Anfang in seiner jetzigen Form auf keinen Fall erhalten können.«
    Anaximenes (um 546 v. Chr.) war ein jüngerer Zeitgenosse Anaximanders, der ihm auch Freund und Mentor war. Anaximenes »erklärte, der Ursprung des vielfältig Vorhandenen sei die Luft, aus ihr nämlich gehe alles hervor, und in sie löse es sich wieder auf«. Nach seiner Auffassung war der Ursprung das Pneuma, »Atem« oder »Luft«, das durch ständige Bewegung verschiedene Formen annimmt. Somit bestimmte Anaximenes nicht nur die
arché
, sondern beschrieb auch die natürlichen Phänomene, über die sie die eine oder andere Form annimmt – ein weiterer Schritt in der Entwicklung der Wissenschaft. Simplikios schrieb im 6. Jahrhundert n. Chr., für Anaximenes unterscheide sich die Luft »aber innerhalb der Seinszustände durch Verdünnung und Verdichtung. Verdünnt werde sie zu Feuer, verdichtet aber zu Wind, dann zur Wolke, ferner bei stärkerer Verdichtung zu Wasser, dann zu Erde, schließlich zu Steinen; alles Übrige aber bestehe aus diesen. Auch dieser bezeichnet die Bewegung als ewig, infolge derer gleichfalls die Umwandlung entstehe.«
    Anaximenes nahm an, dass die Erde flach sei und, wie auch die Gestirne, auf der Luft treibe »wie ein Blatt«. In seiner Vorstellung waren die Erde und die Himmelskörper von grenzenloser Luft umgeben,die eine unendliche Zahl an anderen Welten enthielt. In einem Fragment aus seinem Werk zieht er eine Analogie zwischen dem einzelnen Menschen und dem Kosmos. »Wie unsre Seele, die Luft ist, uns beherrschend zusammenhält«, sagt er, »so umfasst auch die ganze Weltordnung Hauch und Luft.«
    Eine ganz andere Sicht auf die Natur vertrat Heraklit (um 500 v. Chr.), ein jüngerer Zeitgenosse des Anaximenes, der aus der ionischen Stadt Ephesos nördlich von Milet stammte. Wegen seiner geheimnisvollen und orakelhaften Behauptungen nannte man ihn auch Skoteinós, »der Dunkle« oder »der Obskure«. In einem seiner Fragmente heißt es: »Der Herr [Apollon], dem das Orakel von Delphi gehört, spricht nichts aus und verbirgt nichts, sondern er deutet an.« Seine Liebe zum Paradox und zum Rätsel trug ihm unter seinen Zeitgenossen auch den Namen Paradoxológos ein – von Paradoxa sprechend. Nach Diogenes Laërtios, der um 325 n. Chr.
Leben und Meinungen berühmter Philosophen
verfasste, sammelte Heraklit seine Sinnsprüche in einem Buch, das er im Tempel der Artemis in Ephesos hinterlegte. Der Legende nach soll Sokrates, von Euripides nach seiner Meinung über dieses Buch gefragt, gesagt haben: »Was ich davon verstanden habe, zeugt von hohem Geist; und wie ich glaube, auch was ich nicht verstanden habe; nur bedarf es dazu eines delischen Tauchers.«
    Für Heraklit lag die beständige Wirklichkeit in der Natur nicht im Sein, und somit in der Existenz eines universellen Stoffes, sondern im Werden, also in der fortwährenden Veränderung, daher sein berühmter Aphorismus
Panta rhei
(Alles fließt). Waren die milesischen Physiker auf der Suche nach einem grundlegenden, in den Naturerscheinungen unveränderten Stoff, so konzentrierte sich Heraklit auf die Veränderung selbst und auf den unaufhörlichen Fluss der Natur. In einem bei Platon erwähnten Fragment heißt es: »Heraklit sagt an irgendeiner Stelle, daß alles davongeht und nichts bleibt; und alles Seiende der Strömung eines Flusses vergleichend sagt er, man könne nicht zweimal in denselben Fluss steigen.«
    Die relative Stabilität der Natur war das Ergebnis einer − wie Heraklit es nennt − Spannung von Gegensätzen, einer Balance aus gegensätzlichen

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