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Southern Comfort. In dem Augenblick, da wir die ehemalige DDR überflogen, versank ich in dumpfen Schlaf.
Ich wurde von einem Gewicht auf meiner Schulter und einem warmen Atem geweckt. Ohne allzu große Rücksicht richtete ich meinen linken Sitznachbarn wieder auf: Er gab ein leises Grunzen von sich, öffnete aber nicht die Augen. Er war ein langer Kerl um die Dreißig mit hellbraunem Haar und einem Topfschnitt; er wirkte weder sehr unsympathisch noch sehr intelligent. Eingehüllt in die weiche blaue Wolldecke, die die Fluggesellschaft zur Verfügung stellt, und mit seinen breiten Arbeiterhänden, die er auf die Knie gelegt hatte, machte er sogar einen eher rührenden Eindruck. Ich hob das Taschenbuch auf, das ihm vor die Füße gefallen war: ein beschissener angelsächsischer Bestseller eines gewissen Frederic Forsyth. Ich hatte schon ein Buch von diesem Idioten gelesen, das von dick aufgetragenen Huldigungen an Margaret Thatcher und haarsträubenden Darstellungen der UdSSR als Reich des Bösen wimmelte. Ich fragte mich, wie er sich nach dem Fall der Berliner Mauer aus der Affäre gezogen hatte. Ich blätterte sein neues Opus durch: Anscheinend fiel jetzt die Rolle der Bösewichter den Rot-Braunen sowie den serbischen Nationalisten zu; endlich mal einer, der das Zeitgeschehen verfolgte! Seine Lieblingsfigur, der Langweiler Jason Monk, war inzwischen ins Lager des CIA übergewechselt, der sich zu diesem Anlaß mit der tschetschenischen Mafia verbündet hatte. Na, sagte ich mir, als ich das Buch meinem Nachbarn wieder auf die Knie legte, die Moral der angelsächsischen Bestsellerautoren ist ja wirklich klasse! Das Lesezeichen bestand aus einem zweifach gefalteten Blatt Papier, in dem ich das Schreiben von Nouvelles Frontières wiedererkannte: Ich hatte also mit meinem ersten Reisegefährten Bekanntschaft gemacht. Ein braver Kerl, da war ich mir sicher, der bestimmt nicht so egozentrisch und neurotisch war wie ich. Ich warf einen Blick auf den Videobildschirm, auf dem man die Flugdaten verfolgen konnte : Wir hatten vermutlich Tschetschenien schon hinter uns gelassen, wenn wir das Land überhaupt überflogen hatten; die Außentemperatur betrug minus 53 ° C, die Flughöhe 10143 Meter, die örtliche Zeit 00:27 h- Eine Karte ersetzte jetzt diese Angaben: Wir würden gleich Afghanistan überfliegen. Durch die Fenster sah man natürlich nur die undurchdringliche Finsternis. Die Taliban dürften jetzt sowieso schon schlafen und sich in ihrem Dreck suhlen. »Gute Nacht, Taliban, gute Nacht... träumt was Schönes ...«, murmelte ich, ehe ich eine zweite Schlaftablette hinunterschluckte.
4
Das Flugzeug landete morgens gegen fünf Uhr auf dem Flughafen von Don Muang. Ich hatte Mühe, wach zu werden. Mein linker Nachbar war bereits aufgestanden und wartete ungeduldig in der Schlange, die sich vor dem Ausgang des Flugzeugs gebildet hatte. Auf dem Gang, der zur Ankunftshalle rührte, verlor ich ihn bald aus den Augen. Ich hatte weiche Knie, einen trockenen Mund und heftiges Ohrensausen.
Kaum hatte ich die selbsttätig öffnenden Türen hinter mir, umschloß mich die Hitze wie ein Mund. Es herrschte eine Temperatur von mindestens 35° C. Die Hitze in Bangkok hat die Besonderheit, daß sie gewissermaßen »fettig« ist, vermutlich aufgrund der Luftverschmutzung; wenn man sich längere Zeit draußen aufgehalten hat, wundert man sich jedesmal, daß man nicht mit einer dünnen Schicht industrieller Rückstände bedeckt ist. Es dauerte etwa dreißig Sekunden, bis ich meinen Atem angepaßt hatte. Ich bemühte mich, nicht den Anschluß an die thailändische Reiseleiterin zu verlieren, die mir, obwohl ich sie noch kaum zu Gesicht bekommen hatte, zurückhaltend und wohlerzogen vorkam - aber viele Thailänderinnen rufen diesen Eindruck hervor. Mein Rucksack schnitt mir in die Schultern; es war ein Löwe Pro Himalaya Trekking, das teuerste Modell, das ich bei Le Vieux Campeur gefunden hatte, mit lebenslanger Garantie. Es war ein eindrucksvolles Ding, stahlgrau, mit Karabinerhaken, Spezialklettverschlüssen - ein von der Firma angemeldetes Patent - und Reißverschlüssen, die bis zu einer Temperatur von minus 65° C funktionierten. Sein Fassungsvermögen war leider sehr begrenzt : ein paar Shorts und T-Shirts, eine Badehose, Spezialschuhe, mit denen man auf Korallen laufen konnte (125 Franc bei Le Vieux Campeur), ein Reisenecessaire, das die im Guide du Routard als unentbehrlich bezeichneten Medikamente enthält,
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