Platzkarte zur Hölle Kommissar Morry
Russell jemals Ihnen gegenüber durchblicken lassen, daß seine Frau etwas ahnte?"
„Wovon?"
„Von der Freundschaft zwischen Ihnen und Mr. Russell."
„Sie wußte nichts."
„Weshalb sind Sie davon so überzeugt?"
„Weil sie sonst gewiß etwas unternommen hätte, um unser Verhältnis zu stören! Sie wäre keine Frau, wenn sie es nicht versucht hätte!"
Stuart erhob sich. „Vielen Dank, Miß Wellington, das ist zunächst alles."
Das Mädchen erhob sich. Sie war fast so groß wie er und gut gewachsen. „Ich würde etwas darum geben, wenn ich jetzt wüßte, was Sie über mich denken", sagte sie mit einem leisen, traurigen Lächeln.
„Bevor ich's vergesse", sagte er. „Kennen Sie einen Mann, der sich Charly Chreston nennt?"
Er war davon überzeugt, daß sie leicht zusammenzuckte, aber sie hielt seinem Blick stand.
„Charly Chreston?" fragte sie. „Soll das ein Schauspieler sein?"
„Ein Maler. Er wohnt in der Berkeley Row."
„Tut mir leid. Ich kenne weder diese Straße, noch einen Mann namens Chreston."
Er verabschiedete sich von ihr und verließ die Pension. Dann fuhr er mit seinem Wagen zum Hafen. Es war inzwischen fünf Uhr nachmittags geworden. An der Tür zu Chrestons Mansardenwohnung hing ein Briefumschlag. Der Umschlag enthielt den Wohnungsschlüssel. Stuart schloß die Tür auf und trat ein. Die offenen Schranktüren belehrten ihn, daß Chreston inzwischen mit dem Nötigsten das Weite gesucht hatte. Der Tote aus dem Atelier war verschwunden, desgleichen der Teppich, auf dem er gelegen hatte. Nichts erinnerte mehr daran daß in der Wohnung ein Mensch ermordet worden war. Unter der Whiskyflasche lag ein handgeschriebener Zettel.
,Mein lieber Freund!' stand darauf. Wie Sie unschwer zu erkennen vermögen, habe ich inzwischen das Quartier gewechselt und in dieser Wohnung einige geringfügige Änderungen vorgenommen. Sie zielen im wesentlichen darauf ab, unseren Freunden von der Polizei Arbeit und Ärger zu ersparen. Apropos Ärger: ich würde Ihnen dringend empfehlen, zu vergessen, was Sie in dieser Wohnung gehört und gesehen haben. Es ist besser für Sie. Mit den besten Grüßen, Ihr C. C.
Das war alles. Stuart schob den Zettel in die Tasche und schaute sich in der Wohnung um. Es war allerhand zurückgeblieben, was einem gewiegten Kriminalisten wertvolle Hinweise gegeben hätte, aber Stuart verspürte im Moment keine Lust, sich damit zu befassen. Der Schlüssel zu allem Geschehen befand sich in Peachys Händen. Er mußte es nur schaffen, ihr Vertrauen zu gewinnen. Er verließ die Mansarde und das Haus, nahm aber den Wohnungsschlüssel mit. Dann fuhr er zum FBI. Dort kannte er einen Mann namens Burkert. Burkert war Detektivleutnant; er hatte Stuart seinerzeit bei der Bearbeitung des Kriminalgeschichtlichen Buches beraten.
„Ich suche einen Burschen, der unter falschem Namen hier in New York lebt", sagte Stuart. „Bei euch gibt's doch eine Bilderkartei von den Leuten, die gesucht werden, und von denen ihr annehmt, daß sie den Namen gewechselt haben."
„Du weißt, wie er aussieht?"
Stuart nickte.
„Alter?"
„Knapp dreißig. Maler. Kunstmaler, um genau zu sein."
„Gut", meinte Burkert. „Komm mit, ich stell' dich dem Knaben vor, der die Kartei verwaltet. Ich hoffe, du hast genügend Zeit mitgebracht. Du wirst einige Stunden damit verbringen können, dich da hindurchzuarbeiten."
Kurz vor sieben Uhr gab Stuart es auf. Er hatte noch nicht einmal die Hälfte der Karten gesichtet. „Ich komme morgen wieder", sagte er und fuhr nach Hause. Er fischte sich ein paar Sachen, auf die er Appetit hatte, aus dem Kühlschrank. Dann duschte er sich und wechselte den Anzug. Nachdem er einen kurzen Blick auf das Fernsehprogramm geworfen hatte, fuhr er zu den Russells, um Peachy abzuholen.
Mrs. Russell empfing ihn. „Hallo, Stuart, haben Sie etwas vergessen?"
„Vergessen?" fragte er. „Ich möchte Peachy abholen."
„Peachy? Aber die ist doch vor einer halben Stunde zu Ihnen gefahren!"
„Sind Sie sicher?"
„Ganz sicher!"
„Ich hatte ihr gesagt, daß ich sie hier abholen würde."
„Oh, das tut mir leid, Stuart. Peachy muß das durcheinander gebracht haben. Sie ist in letzter Zeit so schrecklich zerstreut. Ich mache mir Sorgen um sie!"
„Hm. Würden Sie gestatten, daß ich hier auf Peachy warte? Es hätte wenig Zweck, wenn ich jetzt nach Hause führe. Peachy wird gewiß anrufen, wenn sie merkt, daß wir uns mißverstanden haben."
Sie gingen ins Wohnzimmer und setzten sich. Mrs.
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