Platzkarte zur Hölle Kommissar Morry
getötet."
„Wer ist es?"
„Ich weiß es nicht."
„Wie bist du in die Wohnung gekommen?"
Sie wandte sich um. „Quäle mich bitte nicht, Stuart — eines Tages werde ich dir alles erzählen können. Alles! Aber jetzt muß ich schweigen."
„Es geht um einen Mord, Peachy", sagte er ernst.
„Es geht um mehr als das", meinte sie.
Er holte das Glas aus der Tasche. „Hast du es ausgespült?" fragte er.
„Ja“, erwiderte sie zögernd. „Als ich den Toten sah, brauchte ich dringend eine Stärkung. Ich füllte das Glas bis zur Hälfte und trank es leer. Aber dann fiel mir ein, daß ich keine Spuren hinterlassen durfte, und ich spülte es in der Küche aus."
„Leider nur sehr flüchtig; am Rande sind noch ein paar Lippenstiftreste zu sehen", sagte er.
„Ich war so schrecklich erregt, daß ich kaum wußte, was ich tat."
„Als du dort warst, kann der Mann noch nicht sehr lange tot gewesen sein."
„Er war noch warm", murmelte sie.
„Bist du dem Mörder begegnet?"
„Nein."
Er zuckte die Schultern. „Es hat wohl keinen Zweck, daß ich dich noch weiter befrage. Du hast mir ja deutlich zu verstehen gegeben, daß du nicht darüber sprechen möchtest."
„Jetzt wirst du mich im Stich lassen, nicht wahr?" fragte sie zaghaft.
Er schaute sie an. „Ich bin nicht für halbe Sachen, Peachy. Ich habe versprochen, dir bei der Suche des Mörders behilflich zu sein. Das werde ich auch tun. Aber erwarte bitte nicht, daß ich dabei irgendeinen Menschen schütze — wenn sich herausstellen sollte, daß du, oder daß irgendein anderer der Russells keine reine Weste hat, werde ich daraus meine Konsequenzen ziehen."
„Das ist dein gutes Recht."
Er schaute auf die Uhr. „Ich gehe jetzt essen. Dann fahre ich nochmals in die Berkeley Row. Können wir uns heute Abend treffen?"
„Gern."
„Sagen wir um neun Uhr? Ich hole dich ab."
„Ich werde pünktlich fertig sein."
Er verabschiedete sich von ihr und fuhr zu einem in der Nähe gelegenen Restaurant, das für seine chinesische Küche berühmt war. Während er auf das Essen wartete, bot sich ihm reichlich Gelegenheit, über die mysteriösen Vorfälle nachzudenken, die in den letzten Stunden auf ihn eingestürmt waren. Vergeblich war er darum bemüht, eine Verbindung zwischen Peachy Russell und dem Mann herzustellen, der sich Chreston nannte.
Noch unmöglicher war es ihm, einen Hinweis auf die Identität des Toten zu finden.
Dann fiel ihm plötzlich die Frau ein, die Russells Geliebte gewesen war. Er beschloß, sie aufzusuchen, noch ehe er in die Berkeley Row fuhr. In einem Lokal, das hauptsächlich von Theaterleuten frequentiert wurde, erfuhr er, daß Patricia Wellington eine Chargenrolle in dem Erfolgsstück ,Blue Beils' spielte und ein Zimmer in der Pension Stage Door bewohnte, die nur zwei Häuserblocks vom Broadway entfernt lag.
Die Pension gehörte einem ehemals sehr berühmten Schauspieler der Stummfilmzeit; er nahm als Logiergäste ausschließlich Leute auf, die etwas mit dem Theater zu tun hatten. Stuart erfuhr von dem Portier, daß Miß Wellington in der dritten Etage wohnte.
„Können Sie mir ein paar Auskünfte über Miß Wellington geben?" fragte Stuart und schob dem Portier eine Dollarnote hin. Der Geldschein verschwand in der Tasche des Portiers. „Was wünschen Sie zu wissen?"
„Wer sind Miß Wellingtons Freunde?"
„Soviel ich weiß, hat sie nur einen. Donald Bradshaw; er ist Regieassistent im ,Imperial' Netter Junge."
„Wie lange wohnt sie schon hier?"
„Etwa ein halbes Jahr. Wir hatten noch niemals Ärger mit ihr. Sie bezahlt stets pünktlich."
Stuart merkte, daß der Portier nichts besonderes wußte. „Vielen Dank", sagte er. „Das genügt." Dann fuhr er mit dem Lift nach oben. Als er an die Tür von Miß Wellingtons Zimmer klopfen wollte, hörte er eine wütende männliche Stimme.
„So geht es nicht, mein Schäfchen, so nicht! Mich führst du nicht an der Nase herum! Entweder wir schaukeln das Ding gemeinsam, und zwar so, wie ich es für richtig halte, oder du kannst dir einen neuen Partner suchen."
Im nächsten Moment wurde die Tür auf gerissen und Stuart sah sich einem großen, erregten, etwa dreißigjährigen Mann mit rostrotem Haar gegenüber. Der Mann starrte ihm verdutzt in die Augen und fragte dann mißtrauisch: „Wer sind Sie, zum Teufel?"
Stuart nannte lächelnd seinen Namen und fügte hinzu: „Ich möchte zu Miß Wellington."
„Haben Sie an der Tür gelauscht?"
„Wie bitte?"
„Ich frage, ob Sie gehorcht
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