Platzkarte zur Hölle Kommissar Morry
haben."
„Aber mein Herr!"
Der Rotkopf schleuderte ein wütendes: „Besuch für dich!" über die Schulter und ging davon.
Stuart räusperte sich und warf einen Blick durch die geöffnete Tür. „Pardon, darf ich eintreten?"
Er war überrascht, ein junges, sehr schönes Mädchen zu sehen. Aus irgendeinem Grunde hatte er erwartet, daß Mr. Russells ehemalige Geliebte nicht mehr ganz jung sein könnte.
„Bitte", sagte sie.
Er schloß die Tür hinter sich. Das Zimmer war nicht sehr groß; die Möbel waren einfach und billig. An den Wänden hingen Zeitungsausschnitte von Theaterkritiken und Bühnenfotos. Patricia Wellington saß mit untergezogenen Beinen auf der Couch. Das Mädchen trug eng anliegende, sandfarbene Slacks und einen saloppen Pulli von nougatbrauner Farbe.
„Sagten Sie, daß Sie Wyndham heißen?"
„Ganz recht, Stuart Wyndham."
Patricia Wellington wies mit einladender Geste auf einen Stuhl, der der Couch gegenüber stand. „Wollen Sie nicht Platz nehmen?"
Stuart setzte sich. Er schaute das Mädchen an. Sie war etwa zweiundzwanzig Jahre alt — ungefähr in Peachys Alter. Als sie mit Russell verkehrte, konnte sie kaum älter als neunzehn gewesen sein.
Sie hatte ein glattes ebenmäßiges Gesicht mit der etwas großporigen Haut, die man bei vielen Schauspielern findet, die allergisch gegen Puder und Schminke sind. Das dunkelblonde, seidig glänzende Haar fiel ihr bis auf die Schultern. Sie hatte helle blaue Augen. In ihrem Gesicht zeigte sich nichts von der Erregung, die ihr rothaariger Freund bei seinem Abgang hatte erkennen lassen.
„Nun?" fragte sie. „Was führt Sie zu mir?"
„Die Neugierde", erwiderte er. „Ich habe mir vorgenommen, den Mordfall Russell zu klären."
Ihm schien es so, als senke sich ein Schatten über die hellen blauen Augen des Mädchens. „Ich kann Ihnen dazu nichts sagen", meinte sie abwehrend.
„Wie lange waren Sie mit ihm befreundet?"
„Etwa ein Jahr."
„Glauben Sie, daß er ermordet wurde?"
„O ja."
„Teilen Sie die Ansicht vieler Menschen, daß er von seiner Familie getötet wurde?"
„Dazu möchte ich mich nicht äußern. Wer sind Sie überhaupt? Ein Polizist?"
„Nein, ich bin ein Jugendfreund von Peachy Russell — sie hat mich gebeten, ihr bei der Lösung des Falles behilflich zu sein."
„Na, denn viel Vergnügen!"
„Haben Sie Mr. Russell geliebt?"
Sie blickte ihn an. „Welch törichte Frage!"
„Was ist daran so komisch?"
„Ich war damals neunzehn. Ich war jung und romantisch — und ich hoffte, hier in New York meinen Weg zu machen. Ich hatte noch Illusionen über den Ruhm, über mein Talent — kurz über alles, was mit meiner Zukunft zusammenhing. Wie die meisten jungen Mädchen konnte ich nichts mit gleichaltrigen Jungen beginnen — sie erschienen mir hölzern, plump und ungeschliffen. Durch einen Zufall lernte ich Mr. Russell kennen — er war das ganze Gegenteil davon — ein Mann von Distinktion, reich, gebildet und zuvorkommend. Ich habe viel von ihm gelernt. Es ist mir unmöglich heute zu sagen, ob ich ihn wirklich liebte — oder ob es nur ein vorübergehender Zustand des Verliebtseins war. Bestimmt schwärmte ich für ihn. Er erfüllte mir viele Wünsche. Er war stets rücksichtsvoll. Kurzum, er war ein guter älterer Freund, dessen Bekanntschaft mir nur Vorteile brachte."
„Vorteile finanzieller Art?"
„Auch das."
„Er hielt sie aus?"
„Mir ging es damals ziemlich schlecht. Er gab mir ein monatliches Taschengeld von dreihundert Dollar."
„Sie wußten, daß er verheiratet war?"
„Anfangs nicht. Später gestand er mir, daß er eine Frau und zwei Töchter hatte. Ich wollte mich daraufhin von ihm lösen, aber zu diesem Zeitpunkt hatte ich schon nicht mehr die Kraft dazu."
„Wußten Sie, daß er erpreßt wurde?"
„Kurz vor seinem Tod deutete er einmal an, daß er mit beträchtlichen Schwierigkeiten familiärer Art zu kämpfen habe; etwas näheres sagte er nicht."
„Kennen Sie Mrs. Russell und die beiden Mädchen?"
„Nur von Fotos. Ich wäre gern zu seinem Begräbnis gegangen, aber ich verzichtete darauf, weil ich mich nicht dem Vorwurf der Taktlosigkeit aussetzen wollte."
„Hat man Sie verhört, als bekannt wurde, daß Mr. Russell vergiftet worden ist?"
„Ja. Aber idi konnte nachweisen, daß ich an Mr. Russells Todestag mit dem Ensemble unterwegs war. Seit dieser Zeit habe ich nichts mehr von der Polizei gesehen und gehört."
„Die Russells haben sich niemals an Sie gewandt?"
„Nein."
„Hat Mr.
Weitere Kostenlose Bücher