Poison (German Edition)
welches Auto dieser Arsch aus der Disco fährt. Na gut, es passt gerade, ich erzähl ihr also, was gerade passiert ist – sie guckt mich an, die Augen werden immer größer, dann fährt sie unvermittelt rechts ran und fängt an, zu lachen. Sie lacht, lacht, lacht, und dann guckt sie mich plötzlich aus ihren großen Augen an und fragt mich: »Bist du etwa in diesen Kerl verliebt?« – »Ich hoffe nicht«, brumme ich, weil ich selbst nicht weiß, was ich eigentlich denken soll.
Sie zieht einen nachdenklichen Flunsch und legt eine CD von Gilbert Becaud ein, und dann bietet sie mir an, das nächste Mal einfach mitzukommen, wenn sie frei hat und ich den Typ treffen will. Sie ist nett, und so gebe ich ihr meine Handynummer, als wir bei mir angelangt sind. Marianne, so heißt sie, gibt mir ihr Kärtchen und ihre Nummer, die ich mir gleich in mein Handy einspeichere – es ist ihr Taxi, tagsüber fährt Doris, ihre Schwester, und ich könnte ruhig jederzeit anrufen, wenn ich ein Taxi bräuchte oder Lust auf einen Espresso hätte. Sie ist wirklich sehr nett, und ich beschließe insgeheim, sie in Zukunft öfter anzurufen.
»Einen Vorteil hat das Ganze«, denke ich, als ich in meine Wohnung komme, »ich bin wenigstens mal vor zwei im Bett.«
Als ich im Flur auf meine Pinnwand schaue, weiß ich sofort, wozu das gut ist – da hängt dieser Flyer, den ich letzte Woche an der Uni mitgenommen habe, als ich mir die Physikalische Sammlung angesehen habe. »Nächsten Samstag Bücherflohmarkt« steht da. »Beginn: 10:00 Uhr, Akademische Buchhandlung Scherber, Spichernstraße.« Ganz hier in der Nähe, 8 Minuten U-Bahn Richtung Ku’damm. Soll ne gute Gelegenheit sein, Bücher zu kaufen, hab’ ich gehört, und Bücher sind sowieso mein Hobby. Historisches interessiert mich zurzeit am meisten, oder mathematische Bücher. Antiquarisch am besten. Zum Beispiel »Die Magie der Zahlen« von Ernst Steinbrenner oder Rudolf Berghausers Werk »Über die logische Entwicklung der Zahlen und deren mystische Bedeutung«.
Also Bücher, die sich mit der Philosophie der Mathematik und anderen vergleichenden Wissenschaften beschäftigen. Also schnell Mariannes Kärtchen an die Pinnwand, einen Schluck Orangensaft aus dem Kühlschrank, einen Eiswürfel dazu, noch mal schnell Mails checken und dann nichts wie ins Bett – halt, Wecker stellen. Neun Uhr ist ne tolle Zeit zum Aufstehen, beschließe ich. Passt auch ganz gut zum Einkaufen, wenn mir noch was einfällt, was ich gern essen möchte übers Wochenende. Und Geld muss ich auch noch ziehen, zum Glück ist an der U-Bahn-Station ein EC-Automat. Das ist das Schöne, wenn man direkt auf der Schlossstraße wohnt – man hat alles in unmittelbarer Nähe. Bank, Sparkasse, Post, einen Lehmann-Laden, einen Bäcker (auch wenn die Mädels, die da arbeiten, nur ihre Mode – wahrscheinlich aus BILD DER FRAU – im Sinn haben und sich jedes Mal aufführen, als wären sie alle – am besten gleichzeitig – die Königin von Saba und ich der Eunuch). Wie gesagt, ich kaufe lieber in Mitte ein, das hat seine Gründe.
Und dann schnell noch den Staub der Stadt vom Körper gewaschen und ab ins Bett. Es dauert nicht wirklich lange, und ich falle in einen tiefen und erholsamen Schlaf. Fast schon süffisant sehe ich den Arsch aus der Disco vor mir, wie er verzweifelt versucht, sich von dem verhinderten Bläser den zweiten Abgang aus den Eiern kitzeln zu lassen, als ich ins Reich der Träume versinke.
7
Shahin
Ich werde wach, weil es in meiner Wohnung so warm ist, es riecht nach Rauch, aber auch nach Feuer. Erschrocken öffne ich die Augen und sehe die Flammen, die in den Feuerschalen lodern, die plötzlich auf dem Steinfußboden meiner Wohnung stehen, der mit Zeichen verziert ist, die mit Blut gemalt worden sind. Nur – wohin sind meine Teppiche gekommen und warum singen hier Menschen? Da hinten, wo eigentlich meine Terrasse sein müsste, tanzen welche in roten und goldenen Gewändern einen Kriegstanz oder so etwas, jedenfalls schwingen sie ihre Schwerter ziemlich gewagt über ihren Köpfen.
Ich schließe die Augen noch mal und öffne sie dann wieder, um mich an das wenige Licht zu gewöhnen, das die Fackeln an den Wänden meiner Wohnung spenden. Meiner Wohnung? Mhm, keine Ahnung, wie ich hierher gekommen bin, aber meine Wohnung ist das nicht, es ist ja nicht mal mein Bett, auf dem ich liege, sondern eine Pritsche aus gefalteten Schilf- und Palmblättern. Sieht ziemlich unterirdisch aus, mit den behauenen
Weitere Kostenlose Bücher