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Polski Tango - Eine Reise durch Deutschland und Polen

Polski Tango - Eine Reise durch Deutschland und Polen

Titel: Polski Tango - Eine Reise durch Deutschland und Polen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Soboczynski
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die riesige Hunde haben. Die Hunde sind größer als ihre Besitzer, daher habe
     ich ein bißchen Angst vor ihnen. Sie heulen nachts so laut, daß ich im Halbschlaf immer der festen Überzeugung bin, sie werden
     in der Pfanne gebraten. Die Punks haben so viele und, wie mir scheint, auch ständig wechselnde Hunde, daß ich diese These
     auch im Wachzustand bis heute noch nicht gänzlich verworfen habe. Eine ältere, robuste Berlinerin, die gleichfalls im Haus
     wohnt, sagte zu mir im Treppenhaus einmal verschwörerisch, wir hätten ja ziemlich »lebhafte Nachbarn«, und rollte mit den
     Augen. Auch sie hat einen Hund, einen kleinen Dackel, deshalb weigerte ich mich, ihrer Feststellung etwas Sachdienliches hinzuzufügen.
     Auch der völlig unangemessene Ausdruck »lebhaft«, den sie verwendete, schien mir dermaßen deplaziert, daß ich ihr mißtraute.
     Womöglich steckt sie mit den Punks unter einer Decke und züchtet in ihrem Wohnzimmer Welpen, die heranreifen zu Pferdegröße
     und die sie den Punks dann regelmäßig zum Schlachten überläßt. Sie ist Rentnerin und hat sonst nichts zu tun.
    Aber wahrscheinlich ist dies nur eine der Verschwörungstheorien, wie sie den Polen ohnehin eigen sind, angesichts ihrer tragischen
     Geschichte.
     
    |193| In Krakau und in Warschau hat der Hund einen weitaus geringeren sozialen Status. Genauer gesagt: Es gibt kaum Hunde. Vielleicht
     sind die Wohnungen einfach zu klein, um einem Vierbeiner genügend Auslauf zu gestatten. Die wenigen Hunde, die man abends
     erblickt, werden jedenfalls ganz eng an der Leine geführt, und man sieht den Besitzern an, daß sie sich schämen für ihr Haustier.
     Sie schämen sich, daß es ihn überhaupt gibt, den Hund an ihrer Seite, und sie bereuen seine Anschaffung zutiefst. Anders ist
     nicht zu erklären, warum nur Männer mit hochgeschlossenem Mantelkragen ihre Hunde ausführen. Höchstens noch damit, daß es
     Beamte des Drogendezernats sind und die Hunde nur ihre Spürhunde. Die einzigen Hunde in Polen.
    Ich laufe die Schönhauser Allee Richtung Süden entlang. Das gewohnte Bild: Eine Flut von Fahrradfahrern rast mir, auch auf
     dem Gehweg, entgegen. Es ist in Berlins Straßen wesentlich wahrscheinlicher, von einem Fahrradfahrer getötet zu werden als
     von einem Laster, der sich zumindest akustisch ankündigt, einer sanften Warnung gleich.
    In Polen gibt es dieses Verkehrsproblem nicht. In Polen gibt es keine Fahrradfahrer. Polnische Männer fahren Auto. Ein Fahrrad
     würde ihrem männlichen Selbstverständnis und ihrem sozialen Status widersprechen. Schwitzend in die Pedale zu treten, mit
     gekrümmtem Rücken über dem Lenkrad, ist ihrer nicht würdig. Und auch Frauen fahren kein Fahrrad. Es würde, so ihre |194| feste Überzeugung, die Grazie zerstören. Auf den aufrechten stolzen Gang und das machtvolle Klappern der Stöckelschuhe möchten
     sie keinesfalls verzichten. Nur Kinder fahren in Polen Fahrrad, zwischen zwei Wohnblöcken, an den Stadträndern.
    Ich komme an einem Ökosupermarkt vorbei. Eine lange Schlange vor den Kassen hat sich gebildet: In den Körben liegen Ökokekse,
     Ökofleisch und Ökozucchini. Der deutsche Ökoladen ist nicht mehr grünen Sektierern vorbehalten, er ist in der Mitte der Gesellschaft
     angekommen. Man legt Wert auf gesundes Essen. In Polen legt man Wert auf fettiges Essen: auf Fleisch. Gemüse und Salat gibt
     es auf der Speisekarte nur als Randerscheinungen. Es gibt keine Ökoläden in Polen. Polen ist eine hundesalon-, fahrradgeschäfte-
     und ökoladenfreie Zone. Ich habe in Polen niemanden getroffen, der sie vermißt. Es gibt in Polen auch keine Vegetarier, keine
     Mülltrennung, kein Dosenpfand. Es gibt keine Beziehungsexperimente, die bis ins Rentenalter reichen. Es gibt auch keine Rente,
     keine Arbeitslosenversicherung, die ihren Namen verdienen. Es gibt keinen nennenswerten Kündigungsschutz.
    Polen ist das Gegenteil von Deutschland. Es ist abgrundtief patriotisch, aber niemand kommt auf die Idee, der Staat könne
     für ihn sorgen. Deutschland ist vollkommen unpatriotisch, hat aber dem Staatswesen gegenüber heftige Ansprüche. In Polen haben
     Frauen keine kurzen Haare. Und Männer haben keine langen. |195| In Polen haben die Straßen Schlaglöcher, in Deutschland nicht einmal mehr in Berlin. Ostdeutschland hängt am Nabel westdeutscher
     Subventionen, mit mäßigem Erfolg. Polen ist seit der Wende weitestgehend allein auf sich gestellt. Deshalb sind die ostdeutschen
     Länder so traurige

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