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Polski Tango - Eine Reise durch Deutschland und Polen

Polski Tango - Eine Reise durch Deutschland und Polen

Titel: Polski Tango - Eine Reise durch Deutschland und Polen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Soboczynski
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der Reise eingestellt
     hat, mit einem zweiten Bier.
    Mein Journalistenfreund fragt mich, ob ich bei der Fußballweltmeisterschaft eigentlich die Polen oder die Deutschen unterstütze.
     Ich sage, Polen sei keine Turniermannschaft, und zucke mit den Schultern. Dann fragt er, was ich »von der Reise mitgenommen«
     habe? Er meint nicht den Wodka, sondern so etwas wie eine grundlegende Erkenntnis, die aus der Reise hervorgegangen sei und
     die sie im nachhinein rechtfertige. Na ja, erwidere ich, ich habe Menschen getroffen, die ich seit Jahrzehnten nicht gesehen
     habe. Und manchmal sei die Vergangenheit ganz nah an mich herangetreten. Als ich Tadek wiedersah, war es mir, als habe sich
     bruchlos unser Verhältnis erneuert. Und im Gleichklang, wie zwei Tanzpartner, die demselben Rhythmus folgen, waren Vergangenheit
     und Gegenwart, Polen und Deutschland miteinander verschmolzen. Aber derartige Erlebnisse waren selten, und die Einbildungskraft
     half bei manchem |199| Wiedersehen über die Distanz, die sich nach den Jahren eingestellt hatte, hinweg. Die Reise verkläre manches, aber Reisen
     seien ohnehin vor allem Erzählungen, die verführen.
    Meinem Journalistenfreund ist die Antwort zu vage, zu sehr meinem Germanistikstudium entsprungen. »Er zählungen !« ruft er empört aus.
    In Bonn habe ich Germanistik studiert. Zusammen mit einem koreanischen Bekannten. Der Koreaner litt manchmal ein wenig unter
     seinem Koreanerdasein. Einmal beschwerte er sich, sagte, wir Polen könnten unsere Herkunft zumindest phänotypisch verstecken.
     Dieser Koreaner sagte auch, daß es doch kein Zufall sei, daß ausgerechnet wir – er, der Koreaner, und ich, der Pole – uns
     über das Werk von Heinrich von Kleist hermachten. Denn Migrantenkinder hätten sehr häufig die Aufgabe, den biographischen
     Bruch ihrer Eltern durch ihre eigene Biographie zu kitten. Und daß ausgerechnet wir an deutscher Literatur laborierten, sei
     eine ungesunde Form der Überkompensation.
    Mein Journalistenfreund hegt einen Zweifel jeder universitären Bildung gegenüber und sagt, als Journalist, da glaube er, daß
     man, bevor man etwas erzählt, eine klare Frage, einen Auftrag haben muß, dem dann bitte schön auch eine klare Antwort folgen
     solle. Von dem Vergleich meiner Reise mit einem Tanz, die ihm zu metaphorisch scheint, lasse er sich genausowenig blenden
     wie von meiner Darlegung meiner Studentenzeit, die |200| ihn nur mäßig interessiere. Er fragt noch einmal nach dem Kern meiner Reise. Fakten, bitte.
    Ich überlege eine Weile, öffne das dritte Bier, es liegt nahe, ihn mit meinen etwas zugespitzten Polen-Deutschland-Unterschieden
     abzuspeisen, die sich mir auf dem Weg zu seiner Wohnung eröffneten. Aber seine so drängende Frage verlangt eine knappe, schnelle
     Antwort. Und ich sage, daß mir in Polen der leichte Umgang mit Niederlagen, dieses Leben im Provisorischen, in dem man sich
     durchzuschlagen hat, sehr gefällt. In Polen werde der menschliche Makel nicht nur toleriert, er werde gefeiert. Gerade dann,
     wenn man sich geschickt verstellt, ein wenig theatralisch ist und damit das Leben als sanfte Lüge begreift. Und es hätte etwas
     Leichtes, Beschwingendes, wenn man sich nicht schämt, sobald etwas nicht gelingen mag. Man würde es schließlich ein andermal
     schon irgendwie hinkriegen. Das sei, wenn ich mich festzulegen hätte, die Erkenntnis meiner Reise.
    Darauf sagt mein Freund, der Journalist, er hätte da eine revolutionäre, noch etwas utopische Idee. Irgendwann, und er fügt
     einige Beispiele des deutschen Reformstaus an, könnte es soweit sein, daß wir einen Club in Polen eröffnen würden. Und jeder
     in Polen würde die Anspielung auf Anhieb verstehen: der »Club der deutschen Versager«.
    Eine Weile noch, da wir Zeit haben und morgen ausschlafen können, blicken wir hinaus auf einen breit ausgestreckten |201| Berliner Himmel. Er erschließt sich uns vom Küchenfenster aus. In Berlin ist der Himmel, da die Straßen so weit auseinanderliegen,
     häufig sehr weit. Und es scheint uns, als lebten wir in einem Meer von Möglichkeiten. Als könnten wir pathetisch und auch
     ein wenig melancholisch sein, einen Abend lang. Das Gespräch führt uns über verflossene Liebschaften in der Vergangenheit
     zu sehr grundsätzlichen, traumverlorenen Plänen in naher Zukunft. Wir reihen Klischees aneinander. Wir wissen es nur zu genau.
     Und wir schämen uns dabei kaum.

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    |203| EPILOG: EIN PAAR SCHWEIGT
    KAYAH SANG IM PIȨKNY

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