Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Assassin's Creed Bd. 5 - Forsaken - Verlassen

Assassin's Creed Bd. 5 - Forsaken - Verlassen

Titel: Assassin's Creed Bd. 5 - Forsaken - Verlassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bowden
Vom Netzwerk:
6. Dezember 1735
    I
    Vor zwei Tagen hätte ich eigentlich meinen zehnten Geburtstag feiern sollen, zu Hause am Queen Anne’s Square. Stattdessen verstrich mein Geburtstag unbemerkt – es gab keine Feier, nur Begräbnisse, und unser ausgebranntes Haus hockt wie ein schwarz gewordener, fauler Zahn zwischen den hohen weißen Villen am Queen Anne’s Square.
    Einstweilen wohnen wir in einem von Vaters Anwesen in Bloomsbury. Es ist ein schönes Haus, und obgleich unsere Familie am Boden zerstört und unser Leben zerrissen ist, können wir wenigstens dafür dankbar sein. Hier werden wir bleiben, entsetzt, erstarrt – verwirrten Geistern gleich –, bis sich unsere Zukunft entscheidet.
    Meine Tagebücher wurden ein Raub der Flammen, und wie ich nun die ersten Worte in dieses neue schreibe, breitet sich in mir so etwas wie das Gefühl eines Neuanfangs aus. Und deswegen sollte ich wohl mit meinem Namen beginnen. Er lautet Haytham. Ein arabischer Name für einen englischen Jungen, dessen Heimat London ist und der von seiner Geburt an bis vor zwei Tagen ein idyllisches Leben führte, behütet vor dem ärgsten Schmutz, der anderswo in der Stadt existiert. Vom Queen Anne’s Square aus konnten wir den Nebel und den Rauch über dem Fluss sehen, und wie alle anderen störten wir uns an dem Gestank, den ich nur als den Geruch eines nassen Pferdes beschreiben kann, doch mussten wir nicht durch die Rinnsale stinkenden Unrats stapfen, die aus Gerbereien, Fleischerläden und den Hinterteilen von Tieren und Menschen abflossen. Widerliche Bäche, die der Ausbreitung von Krankheiten Vorschub leisten: Ruhr, Cholera, Schwindsucht …
    „Ihr müsst Euch warm anziehen, Master Haytham. Sonst holt Ihr Euch noch etwas.“
    Auf den Spaziergängen über die Felder nach Hampstead führten meine Kindermädchen mich in großem Bogen um die armen bedauernswerten Menschen herum, die der Husten schüttelte. Mehr als alles andere fürchteten sie jedoch Krankheiten. Ich nehme an, weil Krankheiten nicht mit Argumenten beizukommen ist – sie lassen sich weder bestechen, noch kann man sie mit Waffen besiegen, und sie zeigen auch keinen Respekt vor Reichtum und Stand. Die Krankheit ist ein unerbittlicher Feind.
    Und natürlich greift sie ohne Warnung an. Deshalb untersuchten sie mich allabendlich auf Anzeichen von Masern oder Blattern und meldeten sodann meiner Mutter, dass ich bei guter Gesundheit sei, woraufhin sie kam und mir einen Gutenachtkuss gab. Ich gehörte nämlich zu den Glücklichen, die eine Mutter hatten, die mir einen Gutenachtkuss geben konnte. Und auch einen Vater, der dies tat und mich und meine Halbschwester Jenny liebte. Der mich aufklärte über Arm und Reich, der mir vor Augen führte, welches Glück mir beschieden war, und mich drängte, stets auch an andere zu denken, und der Lehrer und Kindermädchen beschäftigte, die mich behüteten und unterrichteten, damit ich zu einem Mann mit guten Werten heranwuchs, der ein Gewinn für die Welt war. Zu einem der Menschen, die auf der Sonnenseite des Lebens stehen. Im Gegensatz zu den Kindern, die auf den Feldern, in den Fabriken und Schloten arbeiten müssen.
    Manchmal fragte ich mich allerdings, ob sie Freunde hatten, diese anderen Kinder. Wenn es so war, dann beneidete ich sie darum, um ihre Freunde – obwohl ich natürlich wusste, dass ich nicht neidisch auf sie sein sollte, da mein Leben doch um so vieles behaglicher war. Doch ich hatte keine Freunde – ebenso wenig wie Brüder oder Schwestern, die annähernd in meinem Alter gewesen wären –, und was das Eingehen von Freundschaften anbetraf, nun, ich war schüchtern. Außerdem gab es noch ein anderes Problem, etwas, das ans Licht gekommen war, als ich gerade einmal fünf Jahre alt gewesen war.
    Es geschah eines Nachmittags. Die Villen am Queen Anne’s Square standen dicht beieinander, sodass wir unsere Nachbarn oft sahen, entweder auf der Straße oder in ihren Gärten hinter den Häusern. Neben uns wohnte eine Familie mit vier Mädchen, zwei von ihnen waren etwa in meinem Alter. Sie brachten, wie mir schien, Stunden damit zu, in ihrem Garten seilzuhüpfen oder Blindekuh zu spielen, und ich hörte sie, wenn ich im Unterrichtszimmer saß, unter der strengen Aufsicht meines Lehrers, des alten Mr Fayling, der buschige graue Augenbrauen sowie die Angewohnheit hatte, in der Nase zu bohren und aufmerksam zu betrachten, was er da aus seinen Nasenlöchern ans Tageslicht beförderte, um es dann verstohlen zu verspeisen.
    An jenem Nachmittag

Weitere Kostenlose Bücher