Polt - die Klassiker in einem Band
gearbeitet hat oder arbeiten hätte sollen. Den Fürnkranz, zum Beispiel. Was dagegen, wenn ich mit ihm rede?“
„Woher denn? Ans Werk, Simon!“ Mank war schwer zu verstehen, weil er nun doch wieder Gefallen an seiner Punschschnitte gefunden hatte.
Polt verließ die Dienststelle und schaute zum Himmel hinauf. Eine schmutzigweiße Wolkendecke hing dicht über den Dächern. Es war nicht sehr kalt, aber die feuchte Luft ließ ihn frösteln.
Obwohl Karl Fürnkranz einer der größten Weinbauern in Burgheim war, fügte sich sein Hof nicht weiter auffällig in die Reihe der anderen Bauernhäuser. Die langgestreckten Straßendörfer des Wiesbachtales waren in unsicheren Zeiten entstanden. Damals konnte es nur von Vorteil sein, wenn die aneinandergebauten Häuser Barrieren bildeten, an deren Außenseiten auch noch dorniges Buschwerk gepflanzt war. Die beiden Zugänge in den schmalen Anger konnten am Abend durch Tore verschlossen werden.
Das hatte sich bewährt, aber es waren nicht die Bauern, sondern es war die Gutsherrschaft gewesen, die über Jahrhunderte hinweg das Aussehen der Dörfer und Häuser bestimmt hatte. So kam es, daß ihre Bewohner die ihnen aufgezwungene Form nie besonders schätzten, obwohl sie auch in der Gegenwart ihre Vorteile hatte. Wer über Geld verfügte, baute am Ortsrand neu oder trachtete wenigstens danach, die Häuserzeile im Dorf um ein Stockwerk zu überragen. Burgheim war überdies zu einem vorübergehend recht lebendigen Städtchen angewachsen, in dem sich ein paar urbane Versatzstücke zwischen die alten Strukturen schoben.
Karl Fürnkranz war in einem der dörflich gebliebenen Bereiche zu Hause. Er hatte die einfache, naiv geschmückte Fassade erhalten und sogar der Versuchung widerstanden, das Hoftor zu vergrößern und zu modernisieren. Die Tür war unverschlossen. Polt betrat die Hofeinfahrt, klopfte an die Küchentür. Dann hörte er eine Stimme hinter seinem Rücken. „Geil! Der Herr Inspektor, mitten in der Nacht.“
Er drehte sich um und stand einem jungen, dicklichen Mann mit kurzen blonden Haaren gegenüber. „Es ist halb zehn.“
„So? Was wollen Sie denn von mir?“
„Mit Ihrem Vater hätte ich gern ein paar Worte geredet.“
„Der Alte wird nicht da sein. Nach dem Frühstück verzieht er sich gewöhnlich in den Weinkeller. Und ich hab Besuch. Also dann!“
„Einen Augenblick noch. Ich muß Sie was fragen. Es geht um den Toten im Preßhaus Ihres Vaters.“
„Um den Lutzer Ferdl? Grottenschlecht, der Typ. Aber clever.“
„Sie haben ihn näher gekannt?“
„Mehr oder weniger. Man sieht sich halt in der Disco oder so. Aber die Zeiten, wo er bei den Tussis stark drauf war, sind vorbei.“
„Und was hat er mit dem Preßhaus von Ihrem Vater zu tun?“
„Null komma Josef. Das heißt, vor ein paar Wochen hätt er was richten sollen, hat er aber nicht.“
„Keine Idee, wie er in der Nacht von Freitag auf Samstag ins Preßhaus gekommen ist?“
„Keine. In der Nacht ist da draußen tote Hose. Aber fragen Sie den Alten.“
„Sie haben ja geschlafen, hat mir Ihr Vater erzählt.“
„Geschlafen ist gut. Bewußtlos war ich. Mit dem Eder Fritz und dem Kurzbacher Wolfgang im Blue Moon versackt. Erinnern Sie mich nicht daran.“
„Kurzbacher?“
„Ja, der Neffe vom alten Kurzbacher. Den kennen Sie ja gut, glaub ich.“
Hinter Fürnkranz hatte sich eine Tür geöffnet. Ein Mann um die Dreißig ging auf Polt zu und streckte ihm die Hand entgegen. „Heinz Dvorak mein Name. Aber ich will nicht stören.“ Er wandte sich zum Gehen. „Wenn’s was Neues gibt, hörst von mir, Martin. Schönen Tag noch!“
Gut frisiert, gut angezogen, gute Manieren, Traum-Schwiegersohn, dachte Polt. Dann wandte er sich wieder dem jungen Fürnkranz zu. „Sie haben schon recht, ziemlich einschichtig, da draußen. Aber ein paar Leistungstrinker wie der Bruno Bartl sind immer irgendwo unterwegs. Werd mich eben umfragen müssen.“
„Leere Kilometer, Inspektor. Wenn so einer um diese Zeit noch auf dem Trip ist, sieht er höchstens Gespenster, und die unscharf. Und dann kommen Sie mir mit diesem Bruno Bartl! Lebt der überhaupt noch? Er war doch schon vor Jahren so gut wie hinüber. Hab ihn schon ewig nicht mehr gesehen. Also noch einmal, zum Mitschreiben: Halten Sie sich an meinen Alten, der kennt jeden Hasen und jeden Fasan da draußen beim Namen.“
„Wird schon stimmen.“
Polt verließ das Haus und fuhr mit dem Fahrrad zur Burgheimer Kellergasse. Als der Boden eisig wurde,
Weitere Kostenlose Bücher