Polt - die Klassiker in einem Band
stieg er ab und schob das Rad neben sich her. Nach ein paar Preßhäusern zweigte ein schmaler Güterweg nach Osten ab, der den Talrand entlang zum Preßhaus von Karl Fürnkranz führte. Nach ein paar hundert Metern war das Ziel erreicht. Tatsächlich stand die Tür offen, auch die in den Keller. Polt ging nach unten. Samstag früh hatte er gar nicht bemerkt, daß in einem etwas abgelegenen Seitengang ein massiver Holztisch und Sitzgelegenheiten standen. Ringsum gab es hohe, gemauerte Regale, die mit Weinflaschen gefüllt waren. Karl Fürnkranz saß hinter einer flackernden Kellerkerze und schaute Polt ruhig entgegen. „Willkommen, Inspektor. Wollen Sie was trinken? Für mich ist es zu früh.“
„Für mich auch, aber entschuldigen Sie, wenn ich blöd frage: Was tun Sie dann im Keller?“
„Ich gebe meinen Gedanken Audienz.“
„Auch wenn’s keine schönen Gedanken sind?“
„Auch dann. Man muß mit ihnen leben, gegen die kommt man sowieso nicht an.“
„Trotzdem. Der tote Lutzer … muß schon ein arger Schlag für Sie gewesen sein.“
„Jede andere Leiche wäre um nichts weniger schlimm gewesen.“
„Ich hab kurz mit Ihrem Sohn geredet. Er kennt den Lutzer.“
„Wer kennt den nicht?“
„Tut weh, daß der Martin vom Weinbau nichts hören will, nicht wahr?“
„Sein gutes Recht.“
„Jaja. Ist auch nicht unser Problem, derzeit. Wie um alle Welt ist der Lutzer nachts in Ihr Preßhaus gekommen?“
„Da kann ich Ihnen nicht weiterhelfen, Herr Inspektor. Es sei denn, ich hab ihn hineingelassen.“
„Und warum hätten Sie das tun sollen?“
„Frag ich mich natürlich auch.“
„War übrigens der Bartl eigentlich schon einmal bei Ihnen im Preßhaus? Der kommt ja ziemlich weit herum.“
„Ja schon, aber bei mir war der nie, hält sich eher an die Kellergasse, wo viele Preßhäuser nebeneinanderstehen. Da kriegt er leichter was zu trinken. Aber vielleicht ist er auf dem Heimweg nach Brunndorf manchmal hier vorbeigekommen. Warum fragen Sie?“
„Weil ich nach Leuten suche, die vielleicht etwas gesehen haben könnten.“
„Ja dann, viel Glück.“
„Der Lutzer hätte was reparieren sollen in Ihrem Preßhaus, hab ich gehört?“
„Im Preßhaus nicht, im Keller. Die Beleuchtung ist schon ziemlich kaputt. Und ausgekannt hat er sich ja mit allem. Ich hab ihm einen Preßhausschlüssel gegeben, damit er’s angehen kann, wann er will. Getan hat er nichts, und ich hab den Schlüssel wieder an mich genommen. Vor drei Wochen war das ungefähr.“
Die beiden Männer schwiegen. Der Fürnkranz saß bewegungslos da, ein großer kräftiger Mann mit einem Gesicht, in dem Polt nicht recht lesen konnte. Aber er wagte es dann doch, eine private Frage zu stellen. „Wie lange ist das jetzt her mit Ihrer Frau?“
„21 Jahre.“ Er hatte keine Sekunde nachgedacht. „Als es mit ihr zu Ende ging, hat sie gesagt: Du, Karl, ich geh jetzt. Aber bitte, laß dir Zeit mit dem Nachkommen. Und dieser letzte Wille gilt. Ob ich mag oder nicht.“
Berührungen
Das Kühlhaus von Brunndorf war ein kleines Gebäude am Dorfrand. Kratkys Leute hatten gründlich ihre Arbeit getan, aber nichts gefunden. Nur der tiefgekühlte Hund brachte eine Überraschung: Er hatte eine Wunde am Kopf.
„Ist wohl erschlagen worden, das bedauernswerte Tier.“ Kratky klopfte auf das Blech, mit dem das Gefriergut abgedeckt war. „Aber wie ist der Hund da hineingekommen? Seltsame Bräuche bei euch auf dem Land. Übrigens liegen jetzt auch die Obduktionsergebnisse vor, was diesen Ferdinand Lutzer betrifft. Er war zum Zeitpunkt seines Todes schwer betrunken und ist an Erbrochenem erstickt. Na, wenig später wäre er dann erfroren. Urin haben wir auch noch im Preßkorb nachgewiesen, um die Appetitlichkeit auf die Spitze zu treiben. Sonst gibt es nicht viel vorzuweisen. Auf einem der beiden Preßhausschlüssel waren nur Fingerabdrücke des Karl Fürnkranz, auf dem anderen auch die des Opfers. Aber dafür haben Sie mir ja schon eine Erklärung geliefert, Kollege Polt. Mit verdächtigen Spuren im Preßhaus und im Keller kann ich leider nicht dienen. In dieser Vinothek, Sie wissen schon, wo der große Tisch steht, haben wir aber ein wenig Asche entdeckt. Wir untersuchen noch, was da verbrannt ist. Lutzers Auto haben wir sichergestellt. Eine Menge Werkzeug im Kofferraum, ein Stadtplan von Znaim im Handschuhfach, sonst wenig Interessantes. Ja, und in der Wohnung des Opfers war neben dem üblichen Zeug auch noch das.“ Kratky griff in
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