Polt - die Klassiker in einem Band
ich’s noch hinschmeißen, die ganze Kram.“ Energisch zog sie durch die Nase auf. „Aber dann hab ich gesagt: Mit mir nicht! Nicht mit mir! Mein Kaufhaus wird eben jetzt auch noch ein Postamt! Wüßte nicht, wo ein Postgeheimnis besser aufgehoben wär als hier.“
„Allerdings, Frau Habesam, allerdings.“
„Den Unterton können Sie sich sparen. Was wollen Sie denn einkaufen?“
„Allerhand. Hab ganz darauf vergessen, gestern.“
„Kein Wunder, bei dem, was passiert ist. Jetzt hat die schöne Fassade vom Fürnkranz halt auch einen Sprung. Der eine hat seine Leiche im Keller, der andere im Preßkorb.“
„Nicht sehr mitfühlsam.“
„Wozu denn? Hat der doch nie gebraucht. Hat sich einen Panzer zugelegt, schön und kalt.“
„Wie meinen Sie das?“
„Möchte zum Beispiel wissen, warum ihm die Tochter davon ist, von einem Tag auf den anderen.“
„Ist geredet worden, damals?“
„Genug. Aber nichts Gescheites. Er hat ja nie jemand hineinschauen lassen in seine Familie. Und was ist ihm geblieben? Eine Rotzpippen von Sohn.“
„Wissen Sie eigentlich schon, Frau Habesam, daß es sich bei dem Toten um den Lutzer Ferdl handelt?“
„Nein, das ist mir neu. Kommt selten vor. Hab ich also keinen Untermieter mehr. Vielleicht besser so. Erst war er mir das Geld immer ein paar Monate lang schuldig. Letzte Woche aber hat er im voraus bezahlt. Gleich für ein halbes Jahr. Aloisia, hab ich mir gedacht. Sei auf der Hut: Wenn so ein Mensch auf einmal Geld hat, stimmt was nicht. Na? Recht hab ich gehabt.“
„Und wie war er sonst so?“
„Unverläßlich, falsch und raffiniert. Aber auch ein lustiger Kampl. Weibergschichten, jede Menge. Wollen Sie endlich was kaufen?“
„Also gut. Topfen, mager, Schinken, mager, und Katzenfutter, fettreduziert.“
„Ich hab geglaubt, Sie kaufen für sich ein?“
„Tu ich ja. Wir nehmen ab, der Czernohorsky und ich. Sieht man das nicht?“
„Nein.“
„Sie müssen halt genauer hinschauen, Frau Habesam.“
„Sagen Sie mir rechtzeitig, wenn sich’s auszahlt, Herr Polt.“ Kopfschüttelnd packte sie das Gewünschte ein. „Kaltes Bauchfleisch hätt ich da, mit Kümmelkruste.“
„Gehen S’ zum Teufel damit!“
„Keine schlechte Idee. Ich glaub, der weiß, was gut ist. Habe die Ehre, Herr Hungerkünstler!“
„Moment noch! Ich brauch was für einen Krankenbesuch!“
„Eierlikör?“
„Nichts Süßes.“
„Aha. Die Karin Walter. Hat Grippe, wie man so hört? Wie wär’s mit Inländerrum, 80 Prozent, für den Tee …“
„Geben Sie schon her.“
Als Polt vor Karin Walters Haus in der Hintausgasse von Brunndorf stand, probierte er vorsichtig an der Tür. Wie erwartet, war sie unverschlossen.
Die Lehrerin lag nicht im Bett, sondern stand, mit einem hellblauen Schlafrock bekleidet, am Küchenherd. Sie drehte sich um, als sie Geräusche hörte. „Hallo, Simon, das ist wirklich lieb von dir! Aber bleib schön, wo du bist, sonst erwischt es dich auch noch. Magst Tee mit mir trinken?“
„Gern!“ Polt zeigte grinsend die Rumflasche her.
„Diese Megäre von Habesam. Und morgen wird sie allen von unserem grippalen Besäufnis erzählen.“
„Soll sie ruhig.“
Karin Walter füllte die Tassen, Polt gab ordentlich Rum dazu. „Riecht penetrant, nicht wahr?“
„Das kannst du laut sagen.“ Sie schlürfte vorsichtig. „Hinunter muß er, nur die Tapfersten kommen durch.“ Sie schaute ihn an. „Du bist aber auch nicht sehr munter!“
„Nein, bin ich nicht. War ein fürchterlicher Tag gestern, und dann noch der Nachtdienst. Sag, weißt du überhaupt schon, was passiert ist?“
„Seit Samstag bin ich mehr im Bett als auf den Beinen. Hoffentlich hab ich dich nicht angesteckt gestern. Aber da war ich noch der gesündeste Mensch. Erst beim Aufwachen …“
„So schnell kann’s gehen. Aber für dich hat der Tag wenigstens nur mit einer Grippe angefangen.“ Polt erzählte von der nächtlichen Eisweinlese. Karin schaute ihn stirnrunzelnd an. „Woher kennst du den Fürnkranz?“
„Ich kenn ihn so gut wie nicht, inzwischen aber um einiges besser, umständehalber. Aber als mir der Kurzbacher erzählt hat, daß er bei der Lese helfen wird, mitten in der Nacht, hab ich’s für eine gute Idee gehalten mitzutun, jedenfalls bis …“
„Bis …? Erzähl schon!“
Polt berichtete möglichst behutsam von den morgendlichen Ereignissen im Preßhaus. Karins Hand zitterte, als sie die Teetasse auf den Tisch stellte. Polt sah, daß ihr vom Fieber
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