Polt - die Klassiker in einem Band
für besondere Anlässe reservierten Teller aus dem Schrank und legte rohe, saftige Rindfleischstücke darauf. Er servierte. „Na, was sagst jetzt?“ Czernohorsky hielt sich erst gar nicht damit auf, Laute auszustoßen. Der Kater, sonst eher ungestüm bei seiner Nahrungsaufnahme und stets gewillt, das Futter weiträumig auf dem Fußboden zu verteilen, widmete sich geradezu stilvoll seiner Mahlzeit.
Jetzt fing Polt damit an, auszupacken. Er freute sich herzlich über eine dicke Winterjacke, die er sich geschenkt hatte, über den von Frau Kurzbacher gestrickten Schal und über den großen Christtagsstollen aus dem Backrohr der Höllenbäuerin. Dann bezwang er seine Ungeduld ein wenig. Er nahm ein hartes Vanillekipferl in den Mund und griff nach dessen erfolgreicher Zerkleinerung zu Karins Paket. Es verschwand fast zwischen seinen großen Händen. Erst war Polt ein wenig enttäuscht, als eine ganz gewöhnliche Walnuß zum Vorschein kam. Doch bald merkte er, daß sich die Hälften voneinander lösen ließen. Der eine Hohlraum war himmelblau bemalt und im anderen waren winzig kleine Möbel zu erkennen: ein Tisch, zwei Sessel, ein Bett. Polt legte die Nußhälften sorgsam beiseite, öffnete den Brief, las und spürte die Hitze in sein Gesicht schießen. Dann räusperte er sich, machte das Fenster auf und schaute vergnügt in die Nacht hinaus, die ganz bestimmt voll mit geflügelten Himmelsboten war, pausbäckig, rund und übermütig.
Später saß Polt noch lange ruhig da, ließ die Kerzen niederbrennen und löschte sie sorgsam aus. Er wollte eben ins Bett gehen, als ihn das Telefon aufschreckte. Vielleicht ja doch Karin? Doch Polt erkannte Harald Mank, dessen Stimme ungewöhnlich weich klang. „Du, Simon, ich hab lange überlegt, ob ich dich stören soll, an diesem Abend. Andererseits …“
Polt fröstelte plötzlich. „Sag schon, was ist?“
„Na ja, du warst ja irgendwie gut mit ihm. Der Bruno Bartl hat es hinter sich. Erfroren. Willst kommen?“
„Ja.“
„Gut. Der Zlabinger holt dich mit der Funkstreife.“
Mechanisch griff Polt nach irgendwelchen warmen Sachen, zog sich an und verließ das Haus. Er war kaum zwei Minuten vor dem Hoftor gestanden, als sein Kollege eintraf. Polt stieg ein. Es war stickig warm im Auto.
„Wo?“
„In der Brunndorfer Kellergasse, vor dem Preßhaus vom Schachinger.“
„Also keine hundert Meter von seiner Hütte entfernt.“
Der Eingang zu Schachingers Preßhaus lag etwas tiefer als die Kellergasse, ein paar Stufen führten hinunter. Rechts davon war verschneites Buschwerk zu sehen, und darunter lag Bruno Bartl. Wie ein Kind im Mutterleib lag er da, zugedeckt mit Schnee, und noch immer fielen Schneeflocken auf ihn herab. „Jetzt hast du deine Flügel, Bruno“, murmelte Polt. Dann wandte er sich an Harald Mank. „Es hat ja einmal passieren müssen, nicht wahr? Aber ausgerechnet heute?“
Polt bekam keine Antwort. Dr. Eichhorn ließ seine Arzttasche zuschnappen. „Der Erfrierungstod steht außer Zweifel, und daß der Bartl schwer alkoholisiert war, läßt sich denken. Aber das schau ich mir noch an. Da kommt schon der Leichenwagen.“
Polt wollte nicht sehen, wie sie den Bartl fortschafften, und ging in eine schmale Zufahrt, die hinter Schachingers Preßhaus zu einem Abstellplatz führte. Hierher kam noch ein wenig Licht von der Kellergasse. Der Gendarm sah halb verschneite Reifenspuren, daneben glaubte er auch noch eine breite Schleifspur zu erkennen. Der Bartl vielleicht, auf allen vieren? Als Polt die sich entfernenden Lichter des Leichenwagens sah, ging er zu den anderen Männern zurück. „Da sind Spuren hinten.“
Mank nickte. „Wir machen Fotos davon.“
„Fährst mit uns zurück, Simon?“ fragte ein Kollege.
„Nein, ich schau mich noch um hier.“
Die Kellergasse war wieder menschenleer, als Polt Bruno Bartls Hütte erreichte. Er öffnete die Tür, trat vorsichtig in den stockdunklen Raum und tastete nach dem Tisch. Bei Kerzenlicht sah er dann, daß in einer Spalte zwischen Brettern ein kleiner Baum mit kahlen Ästen steckte, ein Laubbaum offenbar, denn am Grünberg wuchsen nun einmal keine Nadelbäume. Eine Flasche Wein, die Bartl wohl irgendwo geschenkt bekommen hatte, stand auf dem Tisch, daneben ein leidlich sauberes Glas. Polt setzte sich auf den Matratzenstapel, öffnete die Flasche, goß wenig Wein ins Glas, prostete einem unsichtbaren Gegenüber zu und trank. Er wollte schon gehen, als ihm ein schmutziges Blatt Papier auffiel, das auf dem
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