Polt - die Klassiker in einem Band
Sepp. Wir werden ja sehen, wer ihn dann trinkt.“ Fürnkranz hatte einen Glaskrug nach unten mitgebracht, und Polt, der einen halbwegs klaren Kopf behalten wollte, trank nur einen kleinen Schluck. Den Rest schüttete er aus.
„Ein Cabernet Sauvignon, meine Herrschaften! Den hab ich am spätesten in diesem Jahr gelesen. Vom Eiswein natürlich abgesehen. Also die letzten paar Nächte hab ich nicht mehr gut geschlafen. Aber das riskante Zuwarten hat sich ausgezahlt. Schwarz wie die Nacht, herb, und Säure wird er noch abbauen.“
Kurzbacher und Räuschl schauten einander an, nachdem sie gekostet hatten. Dann sagte der Kurzbacher: „Auf den darfst stolz sein.“
„Bin ich!“ Fürnkranz leerte sein Glas, auch Polt konnte diesmal nicht widerstehen. Dann folgte er dem Weinbauern in einen kleineren Seitengang. Diesmal blieb Fürnkranz still und wartete ab, bis alle gekostet hatten.
Räuschl neigte den Kopf. „Ein Merlot, nicht wahr?“
Kurzbacher kostete ein zweites Mal. „Wie bringst du denn so was zusammen, Karl?“
„Kann ich nicht so genau sagen, Friedrich. Ein Merlot braucht viel Gespür. Da hilft dir das ganze Fachwissen nicht allzuviel. Der da ist wahrscheinlich der beste, der mir in meinem Leben gelungen ist. Schon jetzt weich und geschmeidig, Waldbeerenduft, endloser Abgang … Fünfundneunzig habe ich meinen ersten Merlot ausgebaut, er ist ja erst Mitte der Achtziger nach Österreich gekommen. Das Ergebnis war damals ziemlich dürftig, unausgewogen, alles in allem. Ja und heute …, so schließt sich wieder einmal ein Kreis. Aber jetzt bitte ich euch, Platz zu nehmen. Es wird aufregend.“
Fürnkranz trat mit einer pilzumwucherten Doppelliterflasche an den Tisch. Er hielt sie leicht geneigt in den Armen und bewegte sich vorsichtig, als trüge er einen Säugling. „Die Flasche da habe ich unter einem Faß vergessen und erst neulich wieder gefunden. Ein 83er Zweigelt. War ein gutes Rotweinjahr. Die Weißweine hingegen sind zu schwer und zu süß geraten damals. Bin ja gespannt, was mit dem alten Knaben los ist. Entweder er ist hinüber oder … Na ja, der Korken schaut ja ganz gut aus. So, und jetzt ganz langsam, damit das Depot unten bleibt. – Da schau her! Der spiegelt ja richtig! Also dann, meine lieben Gäste, prost!“ Fürnkranz hob sein Glas. „Tiefes Granatrot! Das ist eine Farbe!“ Er senkte die Nase. „Also … dieser Himbeerduft war früher nicht da.“ Dann kostete er. „Alle Achtung. Fließt wie Seide, und dieser Beerenduft nach all den Jahren! Na ja, der Körper ist natürlich nicht mehr ganz so dicht, der Abgang kürzer, wie es eben so ist im Alter.“
Polt und die beiden Weinbauern machten feierliche Gesichter und hatten keine Lust zu reden. Auf der tiefschwarzen Flasche tanzten kleine Reflexe der Kerzenflammen, die Fässer standen unter den runden Gewölben wie eine stumme Schar dicker, dienstbarer Geister, und die Stille war wie Musik.
Nach einer kleinen Ewigkeit erhob sich Karl Fürnkranz. „Das war’s dann wohl. War schön mit euch.“ Er wandte sich Simon Polt zu. „Aber Sie bleiben noch, Herr Inspektor.“
Polterabend
Räuschl und Kurzbacher hatten einander nachdenklich angeschaut, waren dann aber gegangen, ohne viel zu reden. Polt, nicht eben schmächtig, saß dem Fürnkranz gegenüber und fragte sich, woher dieser Mensch seine Schwere nahm. Er fügte sich nicht ins Bild, er bestimmte es, nahm aber keinen Anteil daran. Vorher, bei der Weinkost, war das anders gewesen. Doch jetzt saß der Fürnkranz so da, als habe sich der ganze Mensch zur Faust geballt. „Die Eisweinlese haben wir heute zu Ende gebracht“, sagte er langsam. „Jetzt geht es noch um den Abend zuvor.“
„Da waren Sie im Preßhaus.“
„Da war ich im Preßhaus. Erst allein, dann mit dem Lutzer.“
„Nein!“
„Ja. Er ist hereingekommen und hat höflich gefragt, ob es was zu trinken gibt für ihn. Also, viel Zeit habe ich nicht, war meine Antwort, aber gehen wir schnell einmal in den Keller. Wir haben getrunken. Ich wenig, der Lutzer viel. Ein Bruder Leichtsinn ist er ja immer gewesen, aber an diesem Abend hat ihn noch irgendwas getrieben. Geredet und geredet hat er, von seinen Geschäften, von seinen Projekten, und von seinen Frauen. Da ist mir die Monika in den Sinn gekommen. Sie wissen ja inzwischen, wo sie jetzt ist, Herr Polt. Von da an hab ich den Lutzer zugeschüttet, ihn saufen lassen bis knapp vor dem Umfallen. Dann hab ich beiläufig gefragt, was mit der Monika so war, damals.
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