Polt - die Klassiker in einem Band
Und der Lutzer hat erzählt. Nichts hat er ausgelassen, nichts. Dann hat er gegrinst: Erst schreien sie, und nachher will keine zugeben, daß sie ganz geil drauf war. Da pack ich ihn am Rock, reiß ihn hoch, stoß ihn die Kellerstiege hinauf ins Preßhaus, er kommt frei, rennt zur Tür, die war aber zu. Er flüchtet auf die Weinpresse. Ich steh ganz ruhig, sag: Du kommst mir nicht aus. Er macht das Hosentürl auf und brunzt in den Preßkorb. Da bin ich ihm nach, geb ihm eine mit der Faust, er kippt hinterrücks in den Korb, will wieder heraus, ich nehm seinen Schädel und drück ihn nach unten, hör was brechen, dann war’s still. Denken hab ich nicht können, da war nur noch die kalte Wut … Irgendwie komm ich heim, leg meinen besoffenen Buben ins Bett und fang dann doch an zu überlegen. Spätnachts bin ich noch einmal ins Preßhaus gefahren. Ich wollte den Lutzer einfach in den Schnee schmeißen. Aber er war schon festgefroren in seinem eigenen Dreck. Auch gut. Denk ich mir. Kommt eben der Hengst über dich.“
Polt hielt den Kopf gesenkt. „Und an die Folgen haben Sie auch gedacht?“
„Mir egal.“
„Gibt es noch was zu sagen, Herr Fürnkranz?“
„War das nicht genug, Herr Polt?“
„Doch, ja.“
„Und weiter?“
„Morgen hab ich Dienst.“
„Verstehe!“
„Nichts verstehen Sie, Herr Fürnkranz.“
Polt stand auf, ging die Kellertreppe hinauf und lenkte sein Fahrrad zurück nach Burgheim. Er lehnte es an die Rückseite des Hauses der verstorbenen Frau Wurm, ging nach vorne und nahm in der nun schon vertrauten Küche seinen Platz ein. Nur Martins Zimmerfenster war hell. Diesmal brauchte Polt nicht lange zu warten. Das Auto von Karl Fürnkranz hielt vor dem Hoftor. Der Weinbauer trat ohne Hast ins Haus. Kurz darauf sah ihn Polt in Martins Zimmer. Fürnkranz schien seinem Sohn etwas zu erzählen, ausführlich und in Ruhe. Dann stand Martin auf und redete heftig auf seinen Vater ein. Der stand lange unbeweglich da, holte plötzlich aus und gab seinem Sohn eine Ohrfeige, die ihn ein paar Schritte durchs Zimmer taumeln ließ.
Polt erhob sich und ging zu seinem Fahrrad. Zu Hause angekommen, dachte er kurz nach und griff zum Telefon. Er wählte die Nummer von Karl Fürnkranz und wartete. Erst nach einigen Minuten wurde der Hörer abgehoben. Die Stimme des Weinbauern klang zornig. Polt kümmerte sich nicht darum.
„Sie haben mich in Ihren Keller eingeladen, Herr Fürnkranz, jetzt lade ich Sie zu mir ein.“
„Wann meinen Sie denn, daß ich kommen sollte?“
„Gleich. Und der Martin kommt mit.“
„Sie sind verrückt!“
„Darüber können wir ja reden. Also was ist jetzt?“
„Weil Sie es sind, Herr Polt, ja.“
„Ich lasse euch von hinten in den Hof. Da wecken wir die Höllenbauern nicht auf.“
Jetzt erst bemerkte Polt seinen Kater, der ihn aus bernsteinfarbenen Augen beobachtete. Er kniete sich zu ihm nieder und streichelte ihn: „Morgen wirst du der einzige sein, dem sie nicht das Fell über die Ohren gezogen haben.“ Czernohorsky schnurrte.
Vater und Sohn hatten dicht nebeneinander auf der Sitzbank Platz genommen. Karl Fürnkranz war rot im Gesicht, Martin war blaß.
Polt hantierte am Herd. „Kaffee?“
Stummes Kopfschütteln.
Polt nahm seine Tasse und setzte sich an den Küchentisch. Er schwieg lange und schien völlig die Lust daran verloren zu haben, mit seinen Besuchern zu reden. Schließlich brach Karl Fürnkranz das Schweigen. „Sie lesen zu viele Kriminalromane, Herr Detektiv.“
Polt nahm einen Schluck Kaffee. „Ich hab keinen einzigen gelesen. Aber vielleicht komm ich noch auf den Geschmack. Können Sie mir was empfehlen?“
Fürnkranz lachte. „Durchaus, mein Lieber! Wie wär’s mit dem guten alten Rex Stout? Sein Meisterdetektiv, der Nero Wolfe, bringt ungefähr dreimal soviel auf die Waage wie Sie, und die Mordverdächtigen versammelt er zu guter Letzt immer bei sich zu Hause. Paßt doch ganz prima.“
„Ja, vielleicht. Trotzdem wäre es mir lieber, Sie würden damit aufhören, mir was vorzuspielen.“
„Also das habe ich mir jetzt nicht verdient. Schon gar nicht nach dem heutigen Abend.“
„Doch. Alles, was Sie mir erzählen, stimmt und stimmt auch wieder nicht. Damals, nach der Eisweinlese, haben Sie im Keller davon geredet, daß Sie in Ihrem ganz persönlichen Bauerntheater Hauptdarsteller und Zuschauer in einer Person sind.“
„Und das kann jetzt gegen mich verwendet werden, wie? Großes Kompliment an Ihr Gedächtnis.“
„Unverdient. Ich
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