Polt - die Klassiker in einem Band
verdammt eng geworden zu Hause.“
Hier, auf dem offenen Land, pfiff der Wind noch unangenehmer, aber durch das rasche Gehen hatte sich Polt ein wenig aufgewärmt. Es fiel kein weiteres Wort, bis die zwei in der Kellergasse angelangt waren. Vor Schachingers Preßhaus blieb Polt steht. „Da war es, Martin.“
„Was war da?“
„Den toten Bruno Bartl haben sie hier gefunden. Da unten, neben dem Abgang zum Preßhaus ist er gelegen. Eingerollt wie eine Katze und zugeschneit.“
Martin schaute Polt schüchtern an. „Betrunken und auf dem Heimweg erfroren.“
„Ja. Aber da war noch was. Ich hab Reifenspuren hinter dem Preßhaus gesehen, und Schleifspuren daneben. Ganz so, als wäre einer halb bewußtlos aus dem Auto gefallen oder geworfen worden. Und dann hat er es eben nur noch ein kleines Stück geschafft. Weißt was, Martin? Ich kenne die Weingartenhütte vom Bartl. Dort ist es zwar auch nicht wärmer, aber der Wind pfeift uns nicht um die Ohren, und wir könnten in Ruhe miteinander reden.“
„Die Hütte vom Bartl? Das halte ich nicht aus.“
„Warum nicht?“
Martin wollte antworten, schüttelte aber dann den Kopf und sprach so leise, daß ihn Polt kaum verstehen konnte. „Ist doch auch schon egal. Gehen wir.“
Als sie in Bartls Hütte angelangt waren, zündete Polt eine Kerze an. Der entlaubte Weihnachtsbaum war noch da, aber die Weinflasche war durch den Frost geborsten. Martin schaute sich neugierig um. Polt setzte sich auf den Matratzenstapel. „Du warst noch nie hier?“
„Nein.“
„Wie gut hast du ihn gekannt, den Bruno Bartl?“
„Durch einen Zufall besser als andere. Vor Jahren, ich war fast noch ein Kind, haben wir einmal lange miteinander geredet. Er hat viel erzählt. War so eine wilde Mischung aus Phantasie und Wirklichkeit. Wow! Hab ich mir damals gedacht. Der grindige Greis hat was.“
„In der Nacht, als die Sache mit dem Lutzer passiert ist, hat der Bruno Bartl was gesehen.“ Polt holte die Zeichnung aus der Tasche. „Schau dir das an!“
Martin nahm widerwillig das Blatt Papier in die Hand. Wortlos faltete er es zusammen und gab es Polt zurück. „Ich hätte ihn umbringen können, damals“, murmelte er.
„Wen?“
„Den Dvorak.“
„Wie kommst du jetzt auf ihn?“
„Das werde ich Ihnen erzählen, Herr Polt. Egal was herauskommt dabei. Also, erst einmal: Die ganze Geschichte von meinen Spielschulden drüben in Tschechien ist erfunden. Ich hab sie mir vorher genau ausgedacht, für den Fall, daß ich mich einmal rechtfertigen muß. Ist dann ja schneller gekommen, als ich gedacht habe.“
„Und die wirkliche Geschichte?“
„Damals, als Sie den Dvorak bei mir getroffen haben, hat er mit mir über das und jenes geplaudert und hat mich dann geschickt dazu gebracht, vom Bartl zu erzählen. Er hat gelacht und gebeichtet, daß er in dieser Nacht, als die Sache mit dem Lutzer passiert ist, mit der Lilija bei uns herüben war. Und der Typ, der ins Autofenster geschaut hat, als der Dvorak gerade zur Sache kommen wollte, muß der Bartl gewesen sein. Hab ich urkomisch gefunden damals, und das war’s dann auch. Bis ich gehört habe, daß der Bartl gestorben ist und wie er gestorben ist … Da war zum ersten Mal klar, auf was ich mich eingelassen habe mit Leuten wie dem Dvorak.“
„Aber auch der bringt doch keinen um, nur weil …“
„Stimmt schon. Da muß noch was gewesen sein. Und es liegt doch auf der Hand, daß es mit dem Tod vom Lutzer zu tun haben könnte. Genau das hab ich wissen wollen, und außerdem wollt ich ihm die Sache mit dem Bartl heimzahlen.“
Martin saß eine Weile schweigend und mit gesenktem Kopf da. Dann schaute er wieder auf. „An dem Tag, als ich mit dem Auto in den Weingarten gerutscht bin, hatte er mich zuvor angerufen und gefragt, ob es etwas Neues gibt bei uns. Also schnell geschaltet. Ich sag nur: Ja, vom Bartl. Aber darüber reden wir besser nicht am Telefon. Sagt er: Natürlich nicht. Er muß nach Wien am Abend. Das Urlauberkreuz liegt dicht am Weg. Und da sind wir ungestört.“
„Weiter?“
„Ich komm hin, er war schon dort, steht neben dem Auto, raucht. Ich sag: Der Bartl hat mehr gesehen. Der Inspektor Polt redet komisch herum. Fragt er: Details? Sag ich auf gut Glück: Das Preßhaus vom Vater. Er starrt mich an, schmeißt die Zigarre in den Schnee, sagt: Verdammte Scheiße, war höchste Zeit, den Narren still zu machen. Da hab ich rotgesehen, geh auf ihn los wie ein Wilder. Ich hätte ihn geprügelt, bis er sich nicht mehr
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