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Polt - die Klassiker in einem Band

Polt - die Klassiker in einem Band

Titel: Polt - die Klassiker in einem Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haymon
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sein Steuerprüfergesicht, als er sich Simon Polt zuwandte. „Post für Sie, Herr Kollege!“
    „Für mich? Gibt’s nicht.“
    „Wenn ich’s doch sage. Ich vermute, Ihnen steht eine vergnügliche Lektüre bevor. Aber gehen wir doch nach oben, ans Licht.“
    Der lange Schatten des Albert Hahn
    „Soll ich?“ Polt stand in der geöffneten Preßhaustür, draußen fiel stetig der Regen.
    „Natürlich. Sie werden uns doch an Ihrer Korrespondenz teilhaben lassen?“ Erstmals an diesem Tag machte Kratky einen fast vergnügten Eindruck.
    „Na gut.“ Polt nahm den Brief aus dem Kuvert und entfaltete ihn. Nachdem er eine Weile stumm gelesen hatte, bekam er einen roten Kopf und murmelte: „Typisch Hahn.“ Nach einiger Zeit überreichte er das Schreiben wortlos Kratky.
    „Darf ich vorlesen?“ fragte dieser heiter.
    „Wenn Sie meinen.“ Polt hob kurz die Schultern und schaute interessiert in den Regen hinaus.
    „Also gut.“ Kratky wirkte noch immer recht animiert. „Kein Datum.“ Dann las er vor:
    Mein lieber Herr Polt, ich möchte erst einmal Ihre Verwirrung beseitigen. Verwirrte Dorfgendarmen geben nämlich kein gutes Bild ab, nicht wahr? Also, ich wollte, daß Sie oder irgendeiner Ihrer ausnehmend scharfsinnigen Kollegen diesen Brief findet, sollte mir etwas zustoßen – und das kann Leuten meines Schlages immer passieren. Darum habe ich das Loch für diese Kassette unter Begleitumständen ausheben lassen, die sogar einem Simon Polt auffallen mußten, und ich habe sie nicht versperrt, um neben dem Intellekt nicht auch noch das handwerkliche Geschick der Ordnungshüter zu überfordern. Aber im Lesen waren Sie doch immer gut in der Volksschule, Herr Gendarm, nehme ich wenigstens an, und Fremdwörter werde ich eben vermeiden. Doch zum eigentlichen Gegenstand meines wohlmeinenden Schreibens: Ich glaube nicht wirklich, daß ich eines natürlichen Todes sterben werde, weil es einfach zu viele Idioten gibt, die es nicht mögen, daß einer schlauer ist als sie. Weil es ja anzunehmen ist, daß Sie, allerliebster Herr Dorfgendarm, jetzt ziemlich tollpatschig einen Täter oder eine Täterin suchen, will ich Sie nicht enttäuschen: Natürlich hat mich der Kurzbacher um die Ecke gebracht, weil er es nicht verwinden konnte, sich bei einem Geldgeschäft derart naiv verhalten zu haben. Ich nenne so etwas schwachsinnige Rechtschaffenheit. Aber es könnte auch dieser Schachinger gewesen sein. Da war die Sache mit seinem diebischen Buben, und ich gebe zu, daß es mir einiges Vergnügen bereitet hat, ihm zu zeigen, wie man einen Diebstahl unter geschlechtsreifen Männern regelt. Selbstverständlich dürfen Sie auch den jungen Hackl als Mörder in Betracht ziehen. Sein Bruder denkt derzeit nicht sehr freiwillig darüber nach, wie peinlich es sein kann, die Wahrheit zu sagen. Vergessen Sie bitte auch nicht, meine über alles geliebte Frau in den Kreis der Verdächtigen einzuschließen. Sie hat gute Gründe, mich mit zärtlicher Inbrunst zu hassen, und ich war stets darum bemüht, sie darin nach Kräften zu bestärken. Denken Sie bitte aber auch daran, meine Freunde in Ihre bescheidenen Schlußfolgerungen mit einzubeziehen: Florian Swoboda liebt mich mit ziemlich verzweifelter Inbrunst und Werner Pahlen, dieser leibhaftige Diplomingenieur, ist ohnedies der Gelehrteste von uns allen: Warum sollte er seine hohe Denkerstirn nicht gegen einen richten, der herzlich wenig von Zeugnissen hält? Hören Sie sich auch unter tschechischen Arbeitern um, die hier von den Bauern schamlos ausgenutzt werden. Mir war es nämlich vorbehalten, diese schöne Kunst zu perfektionieren. Auch unser verehrter Dorftrottel, Herr Bartl, ist eine Überlegung wert: Ich habe ihm gelegentlich den Himmel gezeigt. Gut möglich, daß er mich dafür zur Hölle wünscht.
    Vielleicht sollten aber auch Sie, lieber Herr Polt, der Sie irgendwann Gruppeninspektor werden mußten, weil sich so manche Vorrückung auch durch außerordentliche Trägheit und notorische Dummheit nicht verhindern läßt, darüber nachdenken, ob Sie nicht längst alles wissen und aus weindunstvernebelter Keller-Kameraderie glauben, nichts wissen zu dürfen?
    Wie auch immer: Es war mir eine Ehre, den Dienern der Gerechtigkeit posthum behilflich sein zu dürfen, auch wenn es nichts nützen wird. Lehre einer den Ackergaul das Fliegen.
    Schöne Stunden noch, Herr Gendarm, und prost.
    Ihr Albert Hahn.
    post scriptum (jetzt ist mir doch noch ein Fremdwort passiert. Sehr schwierig, Herr Inspektor?): Es

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