Polt - die Klassiker in einem Band
Brunner hinüber?“ schlug Polt widerwillig vor.
„Natürlich.“ Der Kriminalbeamte war schon zur Kellerstiege unterwegs. „Schaut euch noch um, hier herunten, auch mit dem Metalldetektor, dieser angebliche Schatz, ihr wißt ja“, sagte er über die Schulter zu seinen Mitarbeitern. „Wir sind gleich wieder da.“
Karl Brunners Keller war an die dreißig Meter entfernt. Welchen Sinn sollte da eine Rohrverbindung haben? dachte Polt. Ist ja auch egal, der Brunner hat nie etwas mit dem Hahn zu tun gehabt, nicht das Geringste.
Karl Brunners Preßhaus war eines der größten in der Kellergasse von Brunndorf. Die alte Steinpresse war noch intakt: der mächtige Preßbalken, die geschnitzte Spindel, der hunderte Kilo schwere Stein. Zur Zeit der Weinlese gab es hier ein Schauspiel von archaischen Dimensionen, wenn die Männer mit dem „Prügel“, der als Hebel diente, den Preßbalken auf einer Seite niederzwangen. Dann gaben Stein und Spindel den Preßbalken allmählich frei, dessen anderes Ende sich auf den mit Maische gefüllten Preßkorb senkte. In der Luft, warm vom gärenden Most, hing der Geruch der Fruchtbarkeit, so sinnlich, daß sich ein Christenmensch fast schon dafür genieren mußte. Simon Polt hatte noch immer einen Vorwand gefunden, wenigstens eine Weile dabeizusein und vom Traubensaft zu kosten, der schäumend aus dem Preßkorb floß. Diesmal betrat er das Preßhaus in bedrückter Stimmung, und als er durch die offenstehende Kellertür viele Stufen nach unten ging, konnte ihn nicht einmal die vertraute Atmosphäre trösten.
Im Keller stand Karl Brunner mit dem Christian Wolfinger zusammen. Schweigend schauten sie ihren Besuchern entgegen. „Das ist Landesgendarmerieinspektor Kratky“, erklärte Polt, und es klang irgendwie entschuldigend. Die zwei Weinbauern nannten ihre Namen, dann herrschte wieder Schweigen. Irgendwann fragte Brunner, ob die Herren etwas trinken wollten, die Herren wollten nicht, und schon wieder war es still. Polt begriff, daß sich die Dinge gründlich geändert hatten. Er betrat nicht länger als guter Bekannter einen Keller, in dem er selbstverständlich willkommen war, sondern als lästige Amtsperson, die man eben dulden mußte.
„Es gibt also eine Rohrverbindung zum Keller dieses Herrn Hahn?“ fragte Kratky endlich.
Karl Brunner nahm einen Schluck. „Ja, die gibt es.“
„Und seit wann wissen Sie davon?“
Brunner dachte eine Weile nach. „Seit ein paar Jahren. Irgendwann bin ich durch Zufall draufgekommen, als der Hahn mit Besuchern in seinem Keller war.“
„Und wer braucht so ein Loch von Keller zu Keller, ich meine, über diese Entfernung?“
„Kein Mensch.“ Für Brunner schien das Thema damit erledigt zu sein.
Kratky warf Polt einen fragenden Blick zu. „Sagen Sie einmal, Herr Brunner“, begann dieser zögernd, „in den zwei Weltkriegen waren doch Deserteure hier in den Kellern versteckt. Vielleicht haben die das Loch gebohrt, als eine Art Telefon?“
„Gut möglich.“
Polt spürte ein Drücken in der Magengegend. „Und wie ist das mit dem Gärgas? Kann das nicht auch hinüber?“
Karl Brunner trank sein Glas leer und stellte es auf ein kleines Faß. „Nein, das kann nicht hinüber. Mein Keller liegt viel tiefer, das Rohr steigt stark an, und Gärgas ist schwerer als Luft.“
„Kohlenmonoxyd, ich weiß“, brummte Kratky.
„Kohlen … was?“ fragte Brunner.
„So heißt euer Gärgas in zivilisierten Gegenden. Gehen wir?“ Kratky schaute Polt mißmutig ins Gesicht, der Gendarm nickte bekümmert, warf den zwei Weinbauern einen bedauernden Blick zu und folgte dem Kriminalbeamten.
In Albert Hahns Keller wartete eine Überraschung auf die beiden. Neben einer frisch ausgeschaufelten Grube stand eine große Kassette aus Edelstahl. „Der Schatz“, sagte Polt ehrfürchtig. Kratky stieß leicht mit der Schuhspitze gegen das Metall. „Sehr scharfsinnig, Herr Kollege.“
„Übrigens ist das Ding unversperrt. Was zu machen war, ist erledigt. Auch den Inhalt haben wir auf Spuren hin untersucht“, sagte einer der Männer aus Wien.
Kratky stutzte. „Unversperrt? Seltsam. Aber um so besser. Dann darf ich wohl neugierig sein.“ Er bückte sich hinunter, hob den Deckel, zögerte kurz und holte einen Briefumschlag hervor. „Mit mehr kann ich nicht dienen“, sagte er und richtete sich ächzend auf. Er entfernte eine schon geöffnete Plastikhülle, die das Papier geschützt hatte, dann betrachtete er das Kuvert näher, und ein Lächeln flog über
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