Polterabend
noch. Magst Tee mit mir trinken?«
»Gern!« Polt zeigte grinsend die Rumflasche her.
»Diese Megäre von Habesam. Und morgen wird sie allen von unserem grippalen Besäufnis erzählen.«
»Soll sie ruhig.«
Karin Walter füllte die Tassen, Polt gab ordentlich Rum dazu. »Riecht penetrant, nicht wahr?«
»Das kannst du laut sagen.« Sie schlürfte vorsichtig. »Hinunter muß er, nur die Tapfersten kommen durch.« Sie schaute ihn an. »Du bist aber auch nicht sehr munter!«
»Nein, bin ich nicht. War ein fürchterlicher Tag gestern, und dann noch der Nachtdienst. Sag, weißt du überhaupt schon, was passiert ist?«
»Seit Samstag bin ich mehr im Bett als auf den Beinen. Hoffentlich hab ich dich nicht angesteckt gestern. Aber da war ich noch der gesündeste Mensch. Erst beim Aufwachen...«
»So schnell kann’s gehen. Aber für dich hat der Tag wenigstens nur mit einer Grippe angefangen.« Polt erzählte von der nächtlichen Eisweinlese. Karin schaute ihn stirnrunzelnd an. »Woher kennst du den Fürnkranz?«
»Ich kenn ihn so gut wie nicht, inzwischen aber um einiges besser, umständehalber. Aber als mir der Kurzbacher erzählt hat, daß er bei der Lese helfen wird, mitten in der Nacht, hab ich’s für ein gute Idee gehalten mitzutun, jedenfalls bis...«
»Bis...? Erzähl schon!«
Polt berichtete möglichst behutsam von den morgendlichen Ereignissen im Preßhaus. Karins Hand zitterte, als sie die Teetasse auf den Tisch stellte. Polt sah, daß ihr vom Fieber gerötetes Gesicht blaß wurde. »Entschuldige, Karin, ich hätte dich nicht damit belasten dürfen.«
»Woher sollst du denn wissen...«
»Ja, was denn?«
»Nichts. Du kennst mich eben anders.«
»Anders als wie?«
Karin war aufgestanden und drehte Polt den Rücken zu. »Weiß man..., weißt du, ich meine..., der Name von dem Toten?«
»Du wirst ihn kennen. Ferdinand Lutzer.«
»Du lieber Himmel! Nein!« Karin hatte kaum verständlich geflüstert. Dann ging sie ins Schlafzimmer und schloß leise, aber nachdrücklich die Tür hinter sich.
Eiszeit
Polt wartete eine Weile, dann machte er ein paar zögernde Schritte in Karins Richtung, blieb stehen, dachte nach und verstand nichts. »Ich geh jetzt, recht so?«
Keine Antwort.
Zu Hause angelangt, versuchte Polt vergeblich zu schlafen. Irgendwann fielen ihm dann doch die Augen zu. Am nächsten Tag hatte er Mühe, aus dem Bett zu kommen, und nur die in vielen Jahren eingeübte Gewohnheit ließ ihn den Dienstantritt nicht versäumen.
»Morgen, Simon!« Inspektor Holzer war schon im Gehen. »Du hast Besuch. Die Stirbl Kathi. Sei freundlich zu ihr. Sie braucht es, und wie!«
Polt schüttelte seine schläfrige Benommenheit ab. »Wo ist sie denn?«
»Im Zimmer vom Chef. Da hat sie’s noch am bequemsten.«
Polt trat ein, sah einen großen Polstersessel und eine winzig kleine Frau darin. Er sah wirre weiße Haare, darunter zwei knochige Knie und spindeldürre Beine.
»Frau Stirbl! Wo fehlt’s denn?«
Sie hob den tief gebeugten Kopf. »Man gewöhnt sich ja doch irgendwie.«
»Nicht bös sein. Ich versteh nicht.«
»Der Alois. Starr und steif, Simon. Starr und steif.«
»Tot also? Das tut mir wirklich leid für Sie. Wo haben Sie ihn denn gefunden?«
Jetzt lachte die Kathi Stirbl. Wie eine Hexe lachte sie, und Polt fürchtete schon um ihren Verstand. Da brach das Lachen ab, und die Greisin richtete sich mit einem Ruck ein Stück auf. »Im Kühlhaus war er. In meinem Gefrierabteil. Starr und steif. Und fünf paar Bratwürste sind weg.«
»Wann haben Sie ihn denn gefunden? Oder soll ich morgen vorbeikommen und Sie fragen?«
»Morgen ist so schlecht wie heute. Jeden Montag mach ich einen Kontrollgang und Inventur. Um sechs Uhr früh war’s, ich schlaf ja nur noch wenig. Also, ich komm hin: alles normal. Die Tür versperrt, die Gefrierabteile abgeschlossen. Aber dann der Alois: starr und steif.«
»Also hat jemand die Schlüssel gehabt.«
»Schlüssel haben nur unsere Mitglieder.«
»Und die tun so was nicht, klar. Wir schaun uns das alles noch genauer an, Frau Stirbl. Morgen kommt ohnedies der Inspektor Kratky mit seinen Leuten. Bis dahin lassen Sie bitte niemand ins Kühlhaus, ja? Entschuldigung, wenn ich frage: Der Alois, liegt er noch dort?«
»Ja. Was hätt ich denn tun sollen mit ihm?«
»Dann bleibt er bitte bis morgen noch liegen. Wir kümmern uns dann schon um ihn. Und noch was: Reden Sie bitte mit allen Mitgliedern. Die sollen nachdenken, ob ihnen irgendwas aufgefallen ist
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