Polterabend
Heinz Dvorak habe ich Sie ja schon informiert.«
»Glasklar, wie es Ihre Art ist.«
»Na, was soll ich sagen. Unter der Hand war zu erfahren, daß jetzt auch dieser Dvorak zu Tode gekommen ist, drüben, in Znaim. Wie genau, weiß der Teufel. Entschuldigung, da fällt mir jetzt doch noch etwas Konkretes ein, hat mir Heinz Dvorak erzählt: Der Lutzer hat sich im Laufe seines illegalen Arbeitslebens viele Duplikate von Schlüsseln seiner Kundinnen und Kunden machen lassen. Auch einen für den Fürnkranz-Keller. Hinein hat er also können, und mit dem Dvorak war er bekannt - wird eben irgend etwas vorgefallen sein.«
»Und Sie legen Ihre Hände auf dem nicht unbeträchtlichen Bauch ineinander und lehnen sich zurück.«
»Was soll ich tun? In Znaim ermitteln?«
»Den Teufel werden Sie tun!« schrie Neumann, atmete tief durch und beugte sich dann vor. »Herr Inspektor Polt! Was ich jetzt sage, bleibt unter uns. Sie haben von früher her einen Gönner ganz oben in der Hierarchie. Ein Freund von diesem Direktor Frieb, der hier in Burgheim wohnt. Sie hatten mit ihm zu tun, stimmts?«
»Ja, einmal.«
»Ich habe Kenntnis davon bekommen. Jeder muß sehen, wo er bleibt, was die Karriere angeht, nicht wahr? Mein Plan war also, Sie erst einmal zurechtzustutzen, damit wir nachher friktionsfrei zusammenarbeiten können, ohne daß Sie mir zu dicht an den Pelz rücken.«
»Aha.«
Neumann lächelte breit. »Das war ein Fehler, zugegeben. Aber jetzt wird alles anders: Wir setzen uns zusammen und schreiben einen so fulminanten Abschlußbericht zum Fall Fürnkranz, daß denen in Wien Hören und Sehen vergeht. Fakten gibt es keine, also ist alles möglich. Sagen Sie, Kollege Polt, könnten wir nicht diesem Bruno Bartl was anhängen? Halb verrückt war er ja und tot ist er jetzt auch noch.«
»Machen Sie, was Sie wollen. Ich geh dann.«
»Wohin?«
»Nach Hause.« Polt hob die rechte Hand, griff nach seiner Uniformmütze, nahm sie ab und legte sie auf den Schreibtisch seines Vorgesetzten. Dann zog er die Jacke aus und legte sie daneben. »Die Hose auch noch?«
»Nein, Sie Wahnsinniger.«
»Ich war noch nie so normal. Jetzt geh ich erst einmal schlafen, dann komm ich wieder, und wir erledigen meinen Abschied aus der Gendarmerie ganz offiziell. Auf Wiedersehen also.«
Polt ließ seinen sprachlosen Vorgesetzten hinter sich, vertröstete seine neugierigen Kollegen auf später und atmete auf, als er unter freiem Himmel stand. Er knöpfte seine neue Winterjacke zu, wollte zum Hof des Höllenbauern gehen, hatte dann aber plötzlich Lust darauf, sein Preßhaus wiederzusehen.
Leichten Schrittes spazierte er die lange Kellergasse hinauf, und erst, als das Ziel erreicht war, fiel ihm ein, daß er keinen Schlüssel bei sich hatte. So betrachtete er eben sein Eigentum von außen. Wind war aufgekommen und ließ mit der Morgensonne helle Schatten auf der weißgekalkten Mauer tanzen. Polt nahm eine Handvoll Schnee und rieb damit sein Gesicht ein, bis es brannte.
Dann ging er ohne Hast nach Burgheim zurück, öffnete das Hoftor des Höllenbauern und sah schon von weitem, daß jemand auf ihn wartete. Er schaute, stutzte und ging schneller. Als er vor Karin Walter stand, bemerkte er, daß sie vor Kälte zitterte.
»Hast du denn nie Dienstschluß, Simon?«
»Doch. Und wie.«
»Ich habe dich angerufen gestern, am Abend und dann die halbe Nacht lang, immer wieder. Auch in der Dienststelle habe ich es versucht. Ich bin dort an einen Herrn Neumann geraten. Hat mir gesagt, daß er über Beamte keine Auskünfte erteilt. Und jetzt bin ich da, seit einer Stunde.«
»Ja, Karin, wenn ich das gewußt hätte! Was ist mit dir? Was hast du mir sagen wollen?«
»Mir war so kalt, Simon, so grausam kalt, die ganze Zeit über, ohne dich.«
»Und jetzt ist dir wärmer?«
»Ja.«
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