Polterabend
Stundenhotel? Ziemlich kalt allerdings.«
Polt griff zum Strumpf und stopfte ihn unwirsch in die Tasche. »Wissen S’ was, Herr Fürnkranz? Pflanzen S’ wen anderen!«
Gewalt
Simon Polt dachte an eine durchwegs erfreuliche Silvesternacht zurück. Am Abend hatte er das Ehepaar Kurzbacher besucht. Später war er dann lange mit Erika und Ernst Höllenbauer zusammengewesen und gegen elf in seine Wohnung zurückgekehrt, wo im Kühlschrank eine kleine Sektflasche lag und auf dem Tisch zwei Gläser standen, eines für Polt und eines für die zumindest körperlich nicht anwesende Karin Walter. Um Mitternacht hatte er die Gläser klingen lassen, für zwei getrunken und war wenig später eingeschlafen.
Nicht so erfreulich war die Erinnerung an das Gespräch mit Rüdiger Neumann. Dieser hatte nach kurzem Studium der von Polt vorbereiteten Unterlagen freundlich erklärt, daß sie unbrauchbar seien und sich ein weiteres Gespräch damit erübrige. Man wolle einander doch nach Wochenfrist wieder sehen, und zwar besser vorbereitet. Dann hatte Polt wieder einen aufmunternden Schlag auf die Schulter bekommen.
Der Gendarm war ratlos. Er war mit seiner Ausbildung zwar nicht als Vorzugsschüler, doch ohne größere Probleme fertig geworden und auch bei den späteren Schulungen stets bereit gewesen, Neues zu lernen. Allerdings konnte ihn keine noch so eindrucksvolle Theorie von der Überzeugung abbringen, daß Straftaten immer nur das sichtbare Ende eines langen Weges waren, der im Dunklen lag. Und eben dieser Weg war ihm wichtig. Hier lag die Erklärung, konnte sich alles verbergen, was Kälte zwischen die Menschen bringt. Ja, und solche Hintergründe, die es möglich machten, zu verstehen und manchmal sogar künftiges Übel zu verhindern, verdammt, die waren nun einmal nur tastend und mit kleinen Schritten zu finden.
Aber Polt ließ sich die Freude an diesem sonnigen Wintertag im Jänner nicht nehmen. Das Fest der Heiligen Drei Könige war vorbei, und im Grunde genommen waren alle froh, daß der Alltag wieder ihr Leben bestimmte.
Für Polts gute Laune gab es noch einen Grund: Karin Walter war wieder im Lande. Gleich nach der Heimkehr kurz vor Mitternacht hatte ihr Anruf Polt aufgeweckt, und er war sehr froh darüber gewesen, gab es doch viel zu erzählen. Und Karins letzter Satz versprach Angenehmes für den nächsten Tag: »Vielleicht sehen wir einander morgen, ich bin mit den Kindern auf dem Eislaufplatz.«
Am Vormittag war Karin Walter in der Schule, und Polt, der dienstfrei hatte, machte sich auf den Weg, um die Kathi Stirbl zu besuchen. Er wollte einfach wissen, wie es seiner greisen Freundin so ging nach den anstrengenden Feiertagen. Allerdings gestand sich Polt auch ein, daß er sich damit die Zeit vertrieb. Er war unruhig und voller Gedanken. Einerseits freute er sich sehr auf das Wiedersehen mit Karin, andererseits fürchtete er sich ein wenig davor. Nach seinem Gespräch mit Frau Hahn wollte er von ihr Näheres über Monika Fürnkranz erfahren. Das war zwar vermutlich ohne Bedeutung für die aktuellen Geschehnisse, aber es konnte ihm dabei helfen, ihren Vater besser zu verstehen.
Frau Stirbls Haus in Brunndorf war fast immer unversperrt, so auch diesmal. Als Polt die Küchentür öffnete, saß die Kathi mit dem Rücken zu ihm, ihr magerer Oberkörper war nach vorne gebeugt und der Kopf so tief gesenkt, daß Polt nur den Nacken und den Haaransatz sehen konnte. Die alte Frau gab eine Folge merkwürdig kindlicher Geräusche von sich, dann wieder sang sie krächzend eine kleine Melodie und wiegte sich im Takt dazu. Polt räusperte sich, Polt hüstelte, Polt hustete. Endlich drehte sich Frau Stirbl zu ihm um und hob den Kopf. Sie hatte Augen wie ein junges Mädchen. Dann erst bemerkte Polt den jungen Hund auf ihren Knien. »Ja, Frau Stirbl! Was seh ich denn da?«
»Was werden Sie schon sehen! Ein Miststück, ein verbrecherisches. Hat grad erst Zähne, und schon zerbeißt er mir einen Hausschuh.«
»Geben Sie’s zu, Frau Stirbl, Sie haben eine Riesenfreude.«
»Wenn S’ meinen, Herr Polt, wird es schon so sein.« Sie lächelte verschwörerisch. »Aber nicht weitersagen, sonst kommt jeder und gibt so was bei mir ab. Ein Alois genügt in diesem Haus.«
»Schon wieder ein Alois?«
»Na klar. Jetzt halt noch Loisi, weil er so klein ist.« Sie tupfte mit dem Zeigefinger auf die Hundenase. »Recht so, du Hosenscheißer?«
»Und wie geht es sonst? Alles gut verdaut?«
»Wissen Sie, Herr Polt, Gesellschaft ist ja
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