Polterabend
Jahren. Übrigens wirst du bald einmal die Ehre haben, meinen Nachfolger kennenzulernen. Hat sich für Viertel nach acht angesagt. Rüdiger Neumann heißt er. Klingt ganz schön schnittig, was? Halt, ich hör da was draußen. Vielleicht ist er das.«
An der Tür war ein kurzes Klopfen zu hören, und bevor Mank etwas sagen konnte, stand auch schon ein schlanker Mann um die Vierzig im Raum, lächelte strahlend und schaute sich um. »Mahlzeit, Herr Dienststellenleiter. Ihr Gegenüber ist wohl Gruppeninspektor Polt?«
»Ja. Wenn Sie bitte Platz nehmen wollen, Herr Rayonsinspektor Neumann.«
»Ach was, Titel!« Der Besucher nahm Manks Mantel, hängte ihn an einen Garderobehaken. Er ging zum Fenster und öffnete es. »Frische Luft! Das braucht die Gendarmerie heutzutage!« Er drehte den Sessel um, setzte sich rittlings darauf und legte seine Unterarme auf die Lehne. »Ich bin halb offiziell da. Nur einmal schnuppern. Ich störe doch nicht bei der Arbeit?«
»Ach wo!« Mank legte seine Semmel in die Schreibtischlade zurück.
Der Besucher lehnte seine Brust an die Sessellehne und streckte den Kopf vor. Unwillkürlich mußte Polt an einen hungrigen Vogel denken. »Sie haben ja einen scheußlichen Fall am Hals, Herr Kollege Mank, wie ich höre? Freund Adolf hat mir berichtet.«
»Adolf?«
»Adolf Kratky«
»Ah ja, natürlich.«
»Und was machen die Ermittlungen?«
»Wir sammeln Fakten. Vor allem der Simon ist dran. Ich meine Gruppeninspektor Polt.«
»Nach welchem Konzept? Gibt es so etwas wie ein Täterprofil?«
Polt schaute verlegen zu Harald Mank hinüber. »Wir wissen bisher nicht einmal, ob es ein Mord war. Und dann haben wir ja noch einen Toten, den Bruno Bartl.«
»Stimmt, den erfrorenen Säufer. Muß uns wohl nicht so sehr interessieren, wie?«
»Na, ich weiß nicht recht...«
»Sie wissen nicht recht? Ermittlungsarbeit ist aber eine Aufgabe, die Präzision erfordert, Herr Kollege Polt. Sind unsere Datenbanken nach vergleichbaren Fällen durchforstet? Wurde schon einer unserer Psychologen beigezogen?
»Das werden die Leute vom Kratky schon alles tun, ist ja die Kriminalabteilung, nicht wahr?«
»Aber ohne Ihre gezielte und klar definierte Mitarbeit bringt das alles nichts, Herr Kollege. Gibt es ein Protokoll Ihrer Tätigkeit?«
»Nicht wirklich. Aber wir tun, was wir können.«
»Das glaube ich Ihnen aufs Wort, Freund Polt!« Neumann stand auf, ging auf den Gendarmen zu und schlug ihm so kräftig auf die Schulter, daß Polt zusammenzuckte. ,Alles kein Problem, mein Lieber! Ich werde Sie dort abholen, wo Sie stehen.«
»Ich sitze vor Ihnen.«
»So war es nicht gemeint. Was ich sagen wollte: Da kommt ein Mensch mit einem für Sie fremd klingenden Namen zur Tür herein und weiß alles besser. Sie, Herr Kollege, kennen sich aus im Revier, wissen, welche Leute Sie wann und wie anpacken müssen und arbeiten gerne intuitiv. Sehe ich das richtig so?«
»Ja, schon.«
»Und jetzt geht es darum, meine Vorstellungen von systematischer Ermittlungsarbeit unter Einsatz aller verfügbaren Mittel auf einen Nenner mit Ihren..., na, nennen wir es einmal: Methoden zu bringen. Auch akzeptierbar?’’
»Ich weiß nicht genau, wovon Sie reden, aber grundsätzlich ja.«
»Ein vielversprechender Anfang, so wahr ich Rüdiger Neumann heiße. Definieren wir doch Ziele für uns beide. Von Ihnen bekomme ich - sagen wir bis 3. Jänner - alle vorliegenden Fakten, Beweismittel und Verdachtsmomente. Dann sämtliche Daten zum Opfer und zu den anderen beteiligten oder möglicherweise beteiligten Personen. Gemeinsam werden wir dann in einem Brainstorming versuchen, Ordnung ins Material zu bringen. Und wenn diese Arbeit getan ist, Kollege Polt, bin ich bereit, mich ihren Mutmaßungen, Gefühlen und anderen Unwägbarkeiten so ernsthaft und verständnisvoll zu widmen, wie ich nur kann. Ich freue mich darauf, ehrlich!« Neumann warf einen Blick auf die Uhr. »Das war’s für heute, die Zeit drängt. Sie, Herr Kollege Mank, bitte ich herzlich, alle Unterlagen für meinen Dienstantritt bereitzuhalten, inklusive eines statistisch aufbereiteten Tätigkeitsberichtes für das zu Ende gehende Jahr. Ich nehme an, etwas in der Art ist ohnedies vorhanden.« Neumann drückte seinen Kollegen kräftig die Hände, drehte sich im Gehen um und lächelte aufmunternd. »Wird schon werden! Bis dann!«
Eine Weile blieb es still. Dann öffnete Harald Mank die Schreibtischlade, holte seine Wurstsemmel hervor, betrachtete sie lustlos und legte sie
Weitere Kostenlose Bücher