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Polterabend

Polterabend

Titel: Polterabend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Komarek
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weggegangen, tanzen und so, mehr war nicht. Na, eine ganz kleine Verliebtheit vielleicht. Und dann, an einem Sonntag, ist sie zu mir gekommen. Das Gesicht vergeß ich nie mehr, Simon. Keine Tränen, aber ein häßlicher, harter Zug um den Mund, und die Augen zum Fürchten. So nach und nach hat sie erzählt. Der Lutzer ist mit ihr im Auto auf einen dunklen Feldweg gefahren. Ein paar Küsse hat sie sich gefallen lassen, dann hat sie sich gewehrt. Und das hat der Lutzer gebraucht, dem sind alle Sicherungen durchgebrannt. Eine Vergewaltigung, Simon, wie es schmutziger und brutaler nicht geht.«
    »Ja, und weiter?«
    »Wir haben miteinander geredet, die Monika und ich, damals und oft noch nachher. Die Monika hat nur mir etwas erzählt gehabt. Der Martin war sowieso noch viel zu klein dafür. Und wie erzählst du einem Karl Fürnkranz, daß sich seine Tochter zum Tanz ausführen läßt, im Auto schmust, und dann auf einmal war’s eine Vergewaltigung gewesen? Heute denk ich mir, er hätte es am Ende ja doch verstanden, mit meiner Hilfe vielleicht. Aber ich habe mich nicht getraut, etwas zu sagen, mit ihm zu reden. Feig war ich, Simon, und so was von cool.«
    »Wie meinst du das, Karin?«
    »Die Monika ist schwanger geworden vom Lutzer. Damit hat sich natürlich alles zugespitzt. Gemeinsam sind wir auf die Patentlösung gekommen. Abtreibung. War damals gar nicht so einfach und noch belastender und entwürdigender als heute. Ich habe alles in Wien organisiert. Damit war fürs erste die Sache bereinigt. Die Sache - bereinigt, Simon, wenn ich solche Wörter nur höre! Die Monika hat gleich zweimal erfahren dürfen, was sie wert ist als Frau, einen Dreck nämlich, und sie hat diese Lektion gelernt. Ihr Vater ist kein Dummkopf und hat natürlich die Veränderung gesehen und gespürt. Die Monika ist immer stiller und schwieriger geworden, und er war hilflos und zornig. Aber auch zwischen mir und der Monika hat es nicht mehr gestimmt. Vorwürfe habe ich nie von ihr zu hören bekommen, aber blanken Zynismus. Mit ihren siebzehn Jahren war sie fertig mit dem Leben. Sie ging dann weg von zu Hause. Ihr Vater hat sie nicht aufgehalten, verbittert und enttäuscht, wie er war. Ich hab dann nur noch gehört, daß sie in Breitenfeld geheiratet hat, einen Textilkaufmann, Kindermodengeschäft. Damit ist er vor ein paar Jahren in Konkurs gegangen, und die zwei sind weggezogen. Mit mir und mit ihrem Vater hat sie schon damals keinen Kontakt mehr gehabt.«
    »Und der Fürnkranz weiß bis heute nicht, was mit dem Lutzer war?«
    »Ich kann mir nicht vorstellen, wie er es erfahren haben sollte.«
    »Aber wenn er es erfahren hat, Karin?«
    »Dann ist ihm alles zuzutrauen. Alles. Verstehst du mich jetzt, Simon? Ich bin fürchterlich erschrocken, als du mir von dem Toten im Preßhaus erzählt hast.«
    Polt zog Karin Walter an sich, beide schwiegen. Den Lärm der Kinder nahmen sie kaum wahr.
    Aber dann war es plötzlich still. Die Lehrerin und der Gendarm wandten sich rasch der Eisfläche zu und sahen dort zwei kleine regungslose Körper liegen.

 

Gewicht
     
    Nach einer schlaflosen Nacht trat Simon Polt seinen Dienst an und wurde ins Büro von Rüdiger Neumann gerufen. Der neue Dienststellenleiter lächelte mitfühlend. »Ich kann nachvollziehen, wie es Ihnen geht, Kollege Polt. Gibt es Neues von den Kindern?«
    »Der eine Bub ist mit einer schweren Gehirnerschütterung davongekommen. Bei dem anderen besteht noch immer der Verdacht auf eine Schädelfraktur, die zerbrochene Brille hat ihn knapp am Auge verletzt, und ein Handgelenk ist gebrochen.«
    »Sie haben ja dankenswerterweise schon gestern den Ablauf der Tragödie zu Protokoll gegeben. Was ich jetzt hören möchte, ist Ihre persönliche Einschätzung. Da gibt es also eine neue Mode unter den Buben, eine dieser Mutproben: Zwei laufen so schnell sie können aufeinander zu, und wer zuerst ausweicht, hat verloren.«
    »Stimmt. Noch ein paar Minuten vorher hat die Karin, die Frau Walter, den Kindern streng ins Gewissen geredet.«
    »Ohne Erfolg.«
    »Ja. Weil ich sie abgelenkt habe. Ich bin ganz allein schuld an allem, Herr Neumann.«
    »Klingt edel, diese Aussage, ist aber verfrüht. Sie, mein Guter, waren nicht einmal in Uniform, und kein Mensch kann es Ihnen verbieten, mit jemandem zu reden. Aber die Lehrerin hätte ihre Aufsichtspflicht keine Sekunde lang vernachlässigen dürfen. Egal, was passiert.«
    »Auf dem Papier steht viel. Das Leben schaut anders aus.
    »Herr Gruppeninspektor, mein

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