Polterabend
aufgestanden, aber seine Stimme blieb leise, und seine kräftige Gestalt wirkte nicht mehr drohend.
Polt hob den Kopf zu ihm. »Schluß jetzt mit dem Theater. Die eine Hälfte der Geschichte kenn ich ja schon, und die andere will ich jetzt hören.«
Karl Fürnkranz wandte sich ab. Sein Sohn räusperte sich. »Mir war schon immer klar, daß wir nicht durchkommen damit, mein Vater und ich.«
»Fang von vorn an, Martin.«
»Also, da war die Sauferei mit dem Eder Fritz und dem Kurzbacher Wolfgang im Blue Moon. Hat sich so ergeben. Die Welt zum Scheißen, keine Weiber da, haben wir halt ausprobiert, wer von uns am meisten verträgt. Ich war’s nicht.«
»Alles klar, soweit. Haben wir natürlich überprüft. Und weiter?«
»Ich war halb hinüber. Übel war mir, das Bett hat sich gedreht. Dann bin ich eingeschlafen. Träum irgendwas Blödes von einem Handy, frag mich, ob ich wach bin oder nicht, greif nach dem Ding und hör den Dvorak. Na, du Traumtänzer, sagt er. Was ist? Polterabend! Mit Braut!«
»Polterabend?«
»Das war so: Wenn eine Neue gekommen ist, hat das der Dvorak immer gefeiert. Erst ein tolles Abendessen mit Besäufnis und dann die Hochzeit im Puff, richtig feierlich mit Trauzeugen und unechtem Pfarrer. In der Hochzeitsnacht haben wir sie alle ausprobieren dürfen. Und bald darauf ist die nächste drangekommen.«
»Und diesmal war’s anders?«
»Ja. Er hat früher schon einmal davon geredet, daß er mit einer Braut über die Grenze kommen will, damit auch bei uns einmal was los ist. Und damals war’s eben soweit: Ich kann nicht, bin besoffen. Hab ich gesagt. Er darauf: Das ist keine Ausrede. Komm ans hintere Tor und nimm den Schlüsselkoffer vom Lutzer mit.«
»Schlüsselkoffer?«
»Ja, mit Duplikaten von allen Schlüsseln, die der Lutzer je in die Hand bekommen hat. Er war mächtig stolz drauf. Ich hab den Koffer aufbewahrt, damit ihn seine Zimmerwirtin, die Frau Habesam, nicht bei ihm sieht. War schon stark, Herr Polt. Für den Vater war ich noch nicht alt genug für den Preßhausschlüssel. Wenn der gewußt hätte...«
»Und der Schlüsselkoffer? Wo ist er jetzt?«
»Den hab ich über den Zaun auf die Mülldeponie geschmissen. Aber zurück zu dieser Nacht. Ich hab irgendwas angezogen und bin leise hinaus. Das Auto hat schon gewartet. Warm war’s drin, nach Parfüm und Rasierwasser hat’s gerochen, und dann noch so eine Musik, die dir gnadenlos Muster ins Hirn stanzt. Ich war noch immer nicht ganz wach, aber die Frau neben mir hab ich wahrgenommen. Ganz weich war sie, kein Widerstand. Der Lutzer war auch noch im Auto. Denken habe ich nicht so richtig können, auch nicht wollen. Aber es war ein irres Gefühl, total abgehoben. Dann bremst der Dvorak, ich frag, was los ist, der Lutzer lacht, sagt irgendwas von Reiseproviant und von der Stirbl, der alten Hex. Als er das Kühlhaus aufsperren wollte, war auf einmal ein Hund da und hat ihn verbellt. Der Lutzer gibt ihm einen Tritt, daß er gegen die Wand fliegt, hebt was vom Boden auf und drischt es ihm auf den Schädel. Ich wollte nichts mehr sehen und bin ins Auto zurück. Bald waren ja auch die zwei wieder da. Wohin? fragt der Dvorak. In den Keller vom Fürnkranz, sagt der Lutzer. Da taugt wenigstens der Wein was. Noch bevor ich was sagen hab können, dreht sich der Dvorak zu mir um: Na, Martin? Feig? Sind wir also losgefahren, der Lutzer hat den Weg ja gekannt. Vor dem Preßhaus haben wir noch mit der Lilija herumgespielt. Ihr Schnee unters Kleid geschoben und so. Und dann seh ich den Bartl. Taucht aus dem Finsteren auf, kommt näher und will mitspielen. Als ihm der Lutzer eine schallende Ohrfeige verpaßt hat, ist er weg. Dann sind wir in den Keller hinuntergegangen. Erst war mir nicht ganz wohl dabei. Dann haben wir getrunken und es ist alles irgendwie verschwommen. Aber der Kopf hat wieder funktioniert, nur anders als sonst. Und wenn es das letzte ist, das ich erlebe, hab ich gedacht, das geb ich mir voll. Kurz darauf war ich weg, Filmriß.
Wieder wach, seh ich den Dvorak mit dem Lutzer streiten, aber reden haben sie kaum noch können. Die Lilija hat sich in eine Ecke gedrückt, ganz verängstigt hat sie dreingeschaut. Ich will den Streit schlichten, die zwei sind auf einmal gegen mich, der Dvorak sagt Vatersöhnchen zu mir, und der Lutzer zieht über meine Schwester her. Spielt sich jetzt auf drüben, die Monika, aber gelernt hat sie unter mir. Hat er gesagt. Wie meinst du das? frag ich. Da hat der Lutzer erzählt, wie er sie mit Gewalt
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