Pommes rot-weiß
konnte man deutlich sehen, dass seine in der Manteltasche vergrabene rechte Hand einen Revolver mit aufgeschraubtem Schalldämpfer hielt.
Ich sprang aus dem Wagen, hastete über die Straße und war mit drei Schritten im Haus. Die beiden hatten schon den zweiten Treppenabsatz erreicht, ich hörte das stilvolle Tippeln des Kleinen und das martialische Stampfen des Großen. Ich nahm fünf Stufen auf einmal, stolperte und rappelte mich auf. Gar nicht leicht, die beiden einzuholen. Milanos Killer waren schnell und professionell. Sie funktionierten wie ein Uhrwerk und verloren keine unnötige Zeit damit, auf Zehenspitzen zu schleichen oder mehr als einmal die Umgebung auf ungebetene Zeugen zu checken.
Als sie die Glastür mit der Aufschrift Kittel & Voß, Private Ermittlungen erreichten, fanden sie sie angelehnt vor.
Das ließ sie einen Moment zögern, nicht mehr. Nachdem sie einen kurzen Blick getauscht hatten, schob sich der Große durch den Türspalt. Das heißt, er wollte es, aber genau in diesem Moment stieß jemand von innen die Tür auf.
Der Mann, der es so eilig hatte hinauszukommen, dass er Milanos Kampfhund rüde beiseite schob, war von beeindruckender Statur. Er war ganz in Schwarz gekleidet und glich Wild Bill Hickhock, dem todbringenden Revolvermann mit der leisen und immer etwas heiseren Stimme. Vor allem glich er ihm deshalb, weil er seine Kanone nicht unter dem Mantel versteckte, sondern offen in der Hand hielt. Er stürmte aus dem Detektivbüro und rannte die Treppe hinunter. Hätte ich mich nicht an die Wand gedrückt, er hätte mich niedergetrampelt wie ein flüchtender Elefant.
Dumpfbacke wollte dem Schwarzen hinterher, aber Schönhemd hielt ihn zurück. Er deutete auf die Tür. Eine Sekunde später verschwanden sie in Kittels und Voß’ Büro.
Endlich löste ich mich aus meiner Erstarrung und nahm die letzten Stufen. Als ich die Bürotür erreichte, kamen die beiden schon wieder zurück. Sie sahen verunsichert aus, irgendwie ratlos. Sie tuschelten und raunten sich gegenseitig auf Italienisch etwas zu.
Dann entdeckten sie mich.
Ich starrte sie an.
Schönhemd kam langsam näher. Ich presste mich an die Wand und hielt die Luft an.
Es dauerte eine Ewigkeit, bis sein sorgfältig manikürter Zeigefinger mich berührte.
»Das kriegt jeder, der versucht, Milano reinzulegen«, zischte er. »Capisce?«
Ich beeilte mich zu nicken, aber sie nahmen das nicht mehr zur Kenntnis. Ohne Zeit zu verlieren, wandten sie sich zur Treppe und verschwanden wie die Heinzelmännchen, größer zwar und böser, aber in Sekundenschnelle. Auftrag ausgeführt. Sie hatten hier nichts mehr verloren.
Ich stürzte in unser Büro. Aber ich kam zu spät. Der Schwarze hatte ganze Arbeit geleistet.
Henk Voß lag in einer Blutlache in der Nähe des Fensters. Hemd und Haar waren blutverschmiert. Mindestens zehn Kugeln hatten ihn durchbohrt. Die ersten hatten ihn wohl schon erwischt, als er an seinem Schreibtisch gesessen hatte. Dann war er gestürzt und hatte sich bis zum Fenster geschleppt, vielleicht hatte er um Hilfe schreien wollen. Mit letzter Kraft hatte er sich am Fenstergriff hochgezogen. Und in diesem Moment hatte der Killer gnadenlos den Rest seines Magazins auf ihn ausgeleert.
Nebenan, in meinem Zimmer, das zur Straße hinausging, riss ich das Fenster auf. Milanos Leute hatten sich bei der Telefonzelle eingefunden, die wenige Schritte die Straße hinauf lag. Der Kleine telefonierte, während der Große draußen wartete.
Ich holte so viel Luft, wie ich konnte. Dann beugte ich mich aus dem Fenster. »Ihr verdammten Schweine!«, schrie ich so laut und wütend, wie ich konnte. Dann noch mal. Die da unten taten, als hätten sie nichts gehört.
Ich schloss das Fenster und kehrte zurück in das Zimmer meines Partners.
Dort berührte ich den Leichnam mit der Fußspitze, worauf der Tote sich bewegte.
»Verdammt, wie lange dauert das noch!«, ächzte er. »Dieser Sirup ist widerlich.«
»Na schön, Henk«, sagte ich aufatmend und warf ihm den Tabak hin. »Dann komm wieder hoch. Sieht ganz so aus, als ob die die Show gekauft haben.«
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