Poor Economics
der Vergangenheit bereits zweimal unter die Quote gefallen waren. Dasselbe konnte man bei den Vertretern der Stadtregierung von Mumbai beobachten. 37 Einer der Gründe dafür ist, dass sich die Einstellung der Wähler Frauen gegenüber verändert hat. Um in Westbengalen mögliche Vorurteile bezüglich der Kompetenz zu untersuchen, 38 wurden Dorfbewohner gebeten, sich eine Tonaufnahme der Rede eines Dorfvorstands anzuhören. Alle hörten dieselbe Rede, nur wurde sie einmal von einem Mann und einmal von einer Frau vorgetragen. Nachdem sie die Aufzeichnung gehört hatten, sollten die Dorfbewohner die Qualität der Rede beurteilen. In Dörfern, in denen es bislang keine Frauenquote gegeben und man demzufolge keine Erfahrung mit einer weiblichen Führungsspitze hatte, fand die »männliche« Rede bei Männern
mehr Anklang als die »weibliche«. Dagegen bevorzugten Männer in Dörfern, wo es bereits eine Frauenquote gegeben hatte, häufig die »weibliche« Rede. Männer erkannten an, dass Frauen in der Lage sind, gute Maßnahmen einzuführen, und änderten ihre Meinung über weibliche Führungskräfte. Die zeitweilige Frauenquote von 30 Prozent hat so nicht nur zu mehr Trinkwasserstellen, sondern auch zu einer dauerhaften Veränderung der Rolle von Frauen in der Politik geführt.
Mit guten Einzelmaßnahmen lässt sich vielleicht auch der Teufelskreis aus niedrigen Erwartungen durchbrechen: Wenn die Regierung anfängt, ihre Versprechen zu erfüllen, werden die Menschen die Politik ernster nehmen und darauf drängen, dass noch mehr geschieht, statt sich auszuklinken oder gedankenlos nach Ethnie zu wählen oder die Waffen gegen die Regierung zu erheben.
Anlässlich der Präsidentschaftswahlen im Jahr 2000 verglich eine mexikanische Studie 39 das Abstimmungsverhalten in Dörfern, in denen das weiter oben bereits beschriebene Wohlfahrtsprogramm PROGRESA sechs Monate zuvor angelaufen war, mit solchen, in denen es bereits seit 21 Monaten lief. (Durch PROGRESA erhielten arme Familien Sozialleistungen in Bargeldform, solange ihre Kinder in die Schule gingen und sie regelmäßig die Gesundheitszentren aufsuchten.) Sowohl die Wahlbeteiligung als auch die Stimmen für die PRI (die Partei, die PROGRESA eingeführt hatte) lagen in den Dörfern höher, in denen es die Sozialleistungen schon länger gab. Die Familien können nicht mit dem Programm »gekauft« worden sein, denn zum Zeitpunkt der Wahl waren alle schon in den Genuss der Sozialleistungen gekommen und kannten die Regeln, nach denen sie vergeben wurden. Aber das Programm hatte spürbare Auswirkungen auf Gesundheit und Bildung, und die Familien, die schon länger daran teilnahmen, konnten einige dieser positiven Veränderungen am eigenen Leib spüren; sie reagierten darauf mit aktiverer Teilnahme (höherer Wahlbeteiligung) und mehr Stimmen für die PRI, die das Programm initiiert hatte. In einem Umfeld, in dem zu oft zu
viele Wahlversprechen gebrochen wurden, liefern spürbare Verbesserungen den Wählern wichtige Informationen darüber, was von den Kandidaten möglicherweise in Zukunft zu erwarten ist.
Die Ergebnisse des 2001 in Benin durchgeführten Experiments lassen sich mit mangelndem Vertrauen erklären; dort hatte Leonard Wantchekon festgestellt, dass eine auf die jeweilige Klientel abzielende Botschaft erfolgreicher war als eine, die an das Gemeinwohl appellierte. Politiker, die sich lang und breit über das Gemeinwohl ausließen, wurden nicht ernst genommen. Einer klientelbezogenen Botschaft konnten die Wähler zumindest einigermaßen trauen. Wäre die »Gemeinwohl-Botschaft« eindeutiger gewesen, hätte sie sich auf einzelne spezielle Themen konzentriert und den Wählern einen Aktionsplan vorgestellt, auf den diese sich nach der Wahl bei den Kandidaten berufen könnten, dann hätten es sich einige vielleicht anders überlegt.
Vor den Wahlen im Jahr 2006 führte Leonard Wantchekon ein Folgeexperiment durch, aus dem hervorging, dass die Wähler durchaus bereit sind, Politiker zu unterstützen, die sich ernsthaft bemühen, sozialpolitische Maßnahmen zu entwickeln und zu vermitteln. 40 Wantchekon und andere führende Vertreter der Zivilgesellschaft in Benin organisierten zunächst eine große Anhörung unter der Überschrift: »Wahlen 2006: Welche politischen Handlungsalternativen gibt es?« Es fanden vier Podiumsveranstaltungen statt (zu den Themen Bildung, Gesundheit, Amtsführung und Stadtplanung), und vier Experten (zwei aus Benin und zwei aus den Nachbarstaaten
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