Poor Economics
2,83 Dollar. Die Studenten waren also durchaus bereit, für Rokia Verantwortung zu übernehmen und ihr zu helfen, aber angesichts der Dimensionen des Problems fühlten sie sich ohnmächtig.
Anderen, ebenfalls zufällig ausgewählten Studenten, zeigten die Forscher dieselben Flugblätter. Doch dieses Mal sagten sie dazu, dass die meisten Leute mehr Geld spenden, wenn man ihnen einen einzelnen Betroffenen präsentiert, als wenn man sie mit allgemeinen Informationen versorgt. Diejenigen, die das Flugblatt mit Sambia, Angola und Malawi gezeigt bekamen, gaben in etwa dasselbe wie die Studenten ohne die »Vorwarnung«, nämlich 1,26 Dollar. Diejenigen mit dem Rokia-Flugblatt spendeten dagegen nur 1,36 Dollar, also weniger als die Hälfte dessen, was die ungewarnten Studenten zuvor gegeben hatten. Dass man die Studenten dazu gebracht hatte, noch einmal nachzudenken, hatte den Effekt, dass sie Rokia gegenüber weniger großzügig waren, ihr Verhalten allen anderen gegenüber hatte sich jedoch kaum verändert.
So wie die Studenten reagieren die meisten von uns, wenn
sie mit Problemen wie der Armut konfrontiert werden. Spontan wollen wir großzügig sein, besonders wenn ein kleines Mädchen in Gefahr ist. Bei genauerem Nachdenken kommen wir – wie die Studenten aus Pennsylvania – zu dem Schluss, dass das alles keinen Sinn hat: Unser Beiträg wäre ein Tropfen, der in ein Fass ohne Boden fällt. Unser Buch lädt dazu ein, einmal mehr über alles nachzudenken: Wir hoffen, dass Sie sich von dem Gefühl lösen können, der Kampf gegen die Armut sei aussichtslos, und dass Sie anfangen, das Phänomen als ein Bündel ganz konkreter Probleme zu betrachten, die eines nach dem anderen gelöst werden können, wenn man sie erst einmal identifiziert und verstanden hat.
Leider wird der Rahmen für die Armutsdiskussion in der Regel thematisch ganz anders abgesteckt. Da geht es nicht darum, wie man Durchfall oder Denguefieber am besten bekämpfen kann, stattdessen konzentrieren sich viele Experten – vor allem die am lautesten vernehmbaren – auf die »großen« Fragen: Was ist die wahre Ursache der Armut? Inwieweit können wir den freien Märkten vertrauen? Ist Demokratie gut für die Armen ? Sollte man Hilfe von außen leisten oder nicht? Und so weiter.
Zu diesen Experten gehört Jeffrey Sachs; er ist Direktor am Earth Institute der Columbia University in New York und berät die Vereinten Nationen. Er hat eine Antwort auf all diese Fragen: Die armen Länder sind arm, weil sie heiß, unfruchtbar, malariaverseucht und vom Meer abgeschnitten sind. Ohne große Investitionen als Starthilfe für Maßnahmen gegen diese endemischen Probleme sind sie kaum in der Lage, etwas zu produzieren. Investitionen können sie sich aber nicht leisten, eben weil sie arm sind – sie befinden sich in der Armutsfalle, wie die Wirtschaftswissenschaftler das nennen. Und so lange diese Probleme nicht gelöst sind, nützen ihnen weder Demokratie noch freie Märkte wirklich etwas. Der Schlüssel ist daher die Hilfe von außen: Sie kann einen Circulus virtuosus, das Gegenteil eines Teufelskreises ( Circulus vitiosus ), in Gang setzen, indem sie es armen Ländern ermöglicht, in diese kritischen Bereiche zu investieren,
und sie produktiver macht. Die daraus resultierenden höheren Einkommen führen zu weiteren Investitionen, der Aufwärtstrend setzt sich fort. In seinem 2005 erschienenen Bestseller Das Ende der Armut 4 behauptet Sachs, wenn die reichen Länder zwischen 2005 und 2025 jährlich 195 Milliarden Dollar in Entwicklungshilfe stecken würden, könnte die Armut bis zum Ende dieses Zeitraums beseitigt sein.
Doch es gibt andere, die sich nicht weniger vernehmlich zu Wort melden und sagen, dass Sachs mit all seinen Antworten falsch liegt. William Easterly bekämpft Sachs von der New York University aus, die am anderen Ende Manhattans liegt. Mit dem Erscheinen seiner beiden Bücher The Elusive Quest for Growth (»Das trügerische Streben nach Wachstum«) und Wir retten die Welt zu Tode ist er zu einem der einflussreichsten Entwicklungshilfe-Kritiker geworden. 5 Die Wirtschaftswissenschaftlerin Dambisa Moyo arbeitete für die Weltbank und für das Geldhaus Goldman Sachs, doch mit ihrem Buch Dead Aid. Warum Entwicklungshilfe nicht funktioniert und was Afrika besser machen kann schließt sie sich Easterlys Kritik an. 6 Beide sagen, dass Entwicklungshilfe mehr schadet als nützt: Sie hält die Menschen davon ab, nach eigenen Lösungen zu suchen, während
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