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Poppenspael

Poppenspael

Titel: Poppenspael Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wimmer Wilkenloh
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zu
verstehen.    
    Diese Morde sind
anscheinend der Gesprächsstoff Nummer eins, denkt er, als er
die Buchhandlung Delff passiert. Mit den Ängsten der Menschen
lassen sich noch immer gute Geschäfte machen. Das hat sich auf
unserer ersten Pressekonferenz bereits abgezeichnet. Für die
Medien ist dieser brutale Fall ein gefundenes Fressen, um das Leid
der Angehörigen auf den Titelseiten zu
präsentieren.
    Gestern hatte Swensen
die Fotos der Eltern von Ronja Ahrendt auf einer Zeitung gesehen,
die im Ständer vor einem Lottoladen steckte. Ansonsten hat er
vor lauter Arbeit in den letzten drei Tagen weder ferngesehen noch
eine Zeitung in die Hand genommen. Wahrscheinlich keine so
schlechte Entscheidung, sagt er sich.
    Vor dem Tine-Brunnen
steht ein weißer Kleinlaster mit RTL-Logo. Inmitten einer
Menschentraube steht eine dieser jungdynamischen Reporterinnen, die
sich eine Frau mit riesigen Einkaufstüten geschnappt hat, und
hält ihr einen gelben Schaumstoffball unter die Nase. Der
Kameramann filmt die Szene, während sein Assistent gnadenlos
den Platz um ihn herum freischaufelt.
    Der Kriminalist nimmt
die Szene nur am Rande wahr, wartet, bis ein Bus vorbeigefahren ist
und geht über die Straße zum Torbogen im Alten Rathaus
hinüber, der zum Schlossgang führt. Die schmale Gasse
liegt bereits im Schatten. Wenn Swensen in diesem Moment geahnt
hätte, dass die Lösung der Mordfälle bereits zum
Greifen nah ist, wäre er bestimmt am Schaufenster der
Schlossbuchhandlung vorbeigegangen. So aber weckt ein gelbes Buch
in der Auslage seine Aufmerksamkeit. ›Illusion oder
Realität‹ ist der Titel, und auf dem Buchdeckel ist die
Zeichnung einer physikalischen Versuchsanordnung mit einer
schwarzen Katze zu sehen. Der Hauptkommissar verspürt den
kurzen Impuls, sich das Buch zu kaufen, schreckt aber vor dem
stolzen Preis von über 50 Euro zurück.
    Wahrscheinlich ist das
sowieso viel zu kompliziert für mich, überlegt er, als
ein Schatten von links nach rechts über den Weg huscht. Es ist
eine schwarze Katze, die mit einem Satz auf einen Zaun springt und
in einem Vorgarten verschwindet. Schwarze Katze über den Weg
bringt Unglück, sagt der Aberglaube, amüsiert sich der
Hauptkommissar, aber bei dieser Katze kann es sich nur um
Schrödingers Katze handeln. Also ist der Fall zur Hälfte
nicht gelöst und zur anderen Hälfte
gelöst.
    Auf dem weiteren Weg
zum Schloss kommt ihm seine scherzhafte Interpretation schon
ziemlich überheblich vor.
    Du bildest dir auf
deinen gesunden Menschenverstand etwas zu viel ein, Jan Swensen.
Ein bisschen Aberglauben hebt nicht gleich dein buddhistisches
Weltbild aus den Angeln. Schließlich sind gerade die
Norddeutschen bekannt für ihre Spökengeschichten. Zum
Beispiel diese wunderbare Geschichte vom roten Haubarg bei
Witzwort, den der Teufel in einer Nacht, bevor der Hahn kräht,
errichten wollte, wenn ihm ein armer junger Mann dafür seine
Seele verschriebe. Der junge Mann wollte damit bei der Tochter des
reichen Schmieds Eindruck schinden, doch als der Teufel nach
Einbruch der Nacht erschien und in Windeseile die Mauern hochzog,
bekam er es mit der Angst und lief zu seiner Mutter. Die ging in
den Hühnerstall und schüttelte den schlafenden Hahn, bis
er laut krähte. Da soll der Teufel zum oberen Fenster
hinausgefahren sein. Noch heute sagen die Leute, dass diese Scheibe
im Haubarg fehlt, und so oft sie auch eingesetzt wurde, so oft ist
sie in der nächsten Nacht wieder zerbrochen.
    Susan Biehl wartet
bereits am Haupteingang zum Schloss, als Swensen über den Hof
auf sie zugeht. Aus der Nähe sieht die Kollegin ziemlich
mitgenommen aus, ist blass und hat dunkle Ränder unter den
Augen. Anscheinend hat sie mit viel Mühe versucht, diese
Tatsache mit reichlich Schminke zu übertünchen. Selbst in
ihrer typischen Säuselstimme klingt ein schroffer und
abweisender Unterton mit.
    »Ich hoffe, Ihre
Fragen dauern nicht sehr lange, Herr Swensen, ich muss mich gleich
um die Nachmittagsvorstellung kümmern.«
    »Sie sehen
überarbeitet aus, Susan. Wie geht es Ihnen?«
    »Sehr schlecht,
Herr Swensen. Es ist sehr schwer, unter diesen Umständen diese
eher fröhlichen Veranstaltungen zu betreuen. Wir haben alle
unterschätzt, wie viel Kraft jede von uns aufbringen muss,
damit das Festival doch noch reibungslos über die Bühne
gehen kann.«
    »Sie haben mein
ganzes Mitgefühl, Susan! Ich finde es bewundernswert, was Sie
hier machen, aber überfordern Sie sich bloß
nicht!«
    »Wie weit sind
denn

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